Einleitung
„Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein.“ So lautet der wohl meistzitierte Satz einer Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK). Nach den schreckensvollen Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs wurde der Satz, der 1948 lediglich der Minimalkonsens war, später zum Leitspruch des ÖRK. Rasch gewann der Rat an Bedeutung, vor allem durch das Selbstverständnis, zwischen Ost und West zu vermitteln.
Dass Krieg nach Gottes Willen nicht sein soll, ist 2022 gleichermaßen unstrittig. Strittig ist allerdings, wie dieser Wille geschehen soll. Während die einen sich dem Vermittlungsgedanken verpflichtet sehen und teils sogar Verständnis für Putins Russland aufbringen, sehen andere ihre Aufgabe im Widerspruch: sie verteidigen die Ukraine auch theologisch. Vermitteln oder Verteidigen – was ist das Gebot der Stunde für die europäische Ökumene?
Im Folgenden skizziere ich zunächst den Vermittlungsansatz in seiner historischen Entstehung und gegenwärtigen Gestalt nach (1.). Das provoziert Verteidiger_innen, die vor allem der Ideologie des ‚Russkij Mir‘ (Russische Welt) widersprechen (2.). Abschließend blicke ich auf die diesjährige Vollversammlung in Karlsruhe aus und ziehe ein Fazit (3.).
1. Dritter Weg: Königsweg im Kalten Krieg, Sackgasse im Ukrainekrieg
Bei der Gründung des ÖRKs war die Vermittlung zwischen Ost und West das Gebot der Stunde. Die Sympathien für eine ideologische Unabhängigkeit gegenüber den sich formierenden Blöcken war daher groß. Auf Karl Barth ging die Vorstellung eines ‚Dritten Weges‘ zurück, die den ersten Generalsekretär Visser’t Hooft prägte.[1] Attraktiv daran war, sich die Rolle des Moderators zu geben und so die politische Brisanz zwischen Ost- und Westkirchen zu entschärfen.
Entsprechend dominierte im kontinentalen Ableger, der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), der Forumscharakter. Die Äquidistanz zu Ost und West sollte zunächst einmal eine Annäherung ermöglichen, was sich in ökumenischer Reserviertheit gegenüber der europäischen Einigung äußerte. In den 1970er und 1980er Jahren bildete sich aber zunehmend eine positive Bestimmung ökumenischer Aufgaben in Europa heraus. Die Schlussakte von Helsinki 1975, die von 35 Staatsvertretern beider Seiten unterzeichnet wurde, bewirkte einen neuen Impuls. Wolfgang Huber bemerkte etwa, dass „die Sprache der Menschenrechte einen Verständigungshorizont zwischen Menschen in Ost und West auftat. Das war auch theologisch und kirchlich sehr aufregend, dass man beispielsweise zwischen Christen in der DDR und in der Bundesrepublik darüber reden und eine gemeinsame Grundlage entwickeln konnte angesichts heterogener politischer und gesellschaftlicher Situationen.“[2]
Der Dritte Weg wurde so zum Königsweg zur Zeit des Kalten Krieges. Distanz zu Blockdenken und wechselseitige Annäherung bildeten den Kern ökumenischen Engagements. Vor diesem Hintergrund löste die sowjetische Politik von Glasnost und Perestroika unter Michail Gorbatschow Begeisterung aus. Die Redeweise vom ‚gemeinsamen Haus Europa‘ wurde wiederholt aufgegriffen, indem später „Hausregeln“[3] für das sich wandelnde Europa formuliert wurden. Menschenrechtsengagement und proeuropäische Ausrichtung kennzeichnete auch orthodoxe Kirchen.[4]
Die Wende brachte eine neue Dynamik; bei den Europäischen Ökumenischen Versammlungen 1989 in Basel und 1997 in Graz wähnte man sich auf dem Weg in Richtung eines friedlichen Europas. Die bislang letzte Versammlung 2007 steht aber für eine allgemeine Ernüchterung, sie stand für eine ausgeprägte ökumenische Ratlosigkeit im neuen Jahrtausend.
Nichtsdestotrotz halten viele an der Vorstellung eines Dritten Weges fest – auch in Bezug auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dafür steht etwa Ralf Becker, Sprecher für die aus der Friedensbewegung entstandene Initiative ‚Sicherheit neu denken‘. Obschon er von einem russischen Angriffskrieg sprach, zeigte er Verständnis für Putin: „Wenn wir uns gedemütigt sehen, dann gibt es eine Reaktion, die manchmal auch gewaltsam ist: um sich zu erhöhen und manchmal auch zu überhöhen. Und genau das erleben wir jetzt auch bei Präsident Putin. Denn er fühlt sich – unserer Ansicht nach zurecht – seit 30 Jahren betrogen vom Westen.“[5] Entsprechend warb Becker für Verhandlungen um eine gemeinsame europäische Sicherheitsordnung. Es könne ein Weg sein, „zu vereinbaren, dass die Ukraine ein neutraler Staat wird.“ Becker hoffte: „Wenn wir das Putin zusagen, wäre die halbe Miete schon gewonnen.“[6]
So nachvollziehbar diese Position historisch gesehen ist, so fragwürdig erscheint sie in der Gegenwart. Zunächst wirkt Beckers ‚Wir‘ befremdlich. Offenbar meint er einen anderen Westen, in jedem Fall spielt aber die Souveränität der Ukraine keine Rolle. Putin hingegen, der eine weitaus wichtigere Rolle für Becker spielt, tritt als möglicher Verhandlungspartner in Erscheinung – obwohl er kurz vor dem Einmarsch mehrere europäische Regierungsvertreter getäuscht und sich einmal mehr „als Regelbrecher und Völkerrechtsverächter“[7] gezeigt hat. Nun verweisen Friedensbewegte zwar zurecht auf missverständliche Äußerungen des damaligen US-amerikanischen Außenministers James Baker. Dieser propagierte am 9. Februar 1990 – vor weiteren Sondierungen –, die NATO werde sich ‚keinen Zoll weiter‘ Richtung Osten erweitern.[8] Allerdings ist nie ein auch nur annähernd ähnliches Zugeständnis in den Vertragswerken zu finden.[9] Umgekehrt erkannte Russland 1991 sehr wohl die ukrainischen Grenzen in Verträgen und Abkommen an.
Verständnis für Putins Narrativ eines transatlantischen Betrugs, wie es in ökumenischen Kreisen verbreitet wird, ist also unangemessen. Der Westen wird über- und fehleingeschätzt, wenn die Entwicklung Russlands auf das transatlantische Bündnis zurückgeführt wird. Immerhin wurde nach der Wende ein EU- oder gar ein NATO-Beitritt Russlands diskutiert. Andererseits zeugt es von einer Unterschätzung Putins, wenn dessen Expansionsstreben als bloßes Sicherheitsinteresse verniedlicht wird.
Steht Becker vor allem für die ökumenische Friedensbewegung in Deutschland, fand er auch in transnationalen ökumenischen Netzwerken Zuspruch. Der Generalsekretär der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK), Jørgen Skov Sørensen, offenbarte bei der ÖRK-Vollversammlung in Karlsruhe ein bemerkenswertes Verständnis des Kriegs gegen die Ukraine. Sørensen zufolge würden säkular eingestellte Menschen naiverweise auf ein Ende aller Kriege hoffen. Gläubige Menschen seien durch das Bewusstsein der universalen Sündhaftigkeit aber vor einer solchen Naivität gefeit. Auf die Frage, wie ein solcher Krieg in Europa im Jahr 2022 entstehen könne, sei die christliche Antwort simpel und klar: „Weil wir gefallene Menschen sind.“[10]
Nun ist diese Antwort tatsächlich sehr simpel, für Klarheit sorgt sie aber keineswegs. Dies dürfte auch der Präsident der KEK, Christian Krieger, gesehen haben. Bereits zu Kriegsbeginn fand er klare und kritische Worte. In seiner ersten öffentlichen Erklärung vom 26. Februar betonte er: „Wir verurteilen die Kriegshandlungen des russischen Militärs gegen die Ukraine scharf. Die Kriegshandlungen verletzten die Integrität der Grenzen, das Recht auf Selbstbestimmung und die Stabilität in der Region.“[11] In einem Brief wandte der KEK-Präsident sich zudem an den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill: „Ich bin enttäuscht über Ihr erschreckendes Schweigen zu diesem sinnlosen Krieg, den Ihr Land gegen ein anderes Land erklärt hat. Ein Land, das die Heimat von Millionen von Christen ist, auch Ihrer Kirche zugehöriger orthodoxer Christen.“[12]
Zweifelsohne war der dritte Weg zur Zeit des Kalten Krieges im Gegenüber zweier Großmächte ein Königsweg. In den hitzigen Gefechten zweier ungleicher Kriegsparteien führt er aber in die Sackgasse. Forderungen nach Diplomatie mögen historisch nachvollziehbar sein. Sie werfen aber erstens die Frage auf, ob die einstige Impulswirkung der Menschenrechte im Anbetracht bekanntgewordener Menschenrechtsverletzungen noch Bestand hat. Zweitens erwecken sie den Eindruck, als sei der aggressive Charakter von Putins Russland nicht ausreichend bekannt.
2. Russisch-imperiale Ansprüche und die theologische Debatte um ‚Russkij Mir‘
Ein entscheidendes Missverständnis ökumenischer Vermittlungstheolog_innen liegt in der Gleichsetzung Russlands mit der Sowjetunion. Gerade in erinnerungs- oder geopolitischen Zusammenhängen tritt dieses Fehlurteil wiederholt auf. Der jüngere „ethno-imperiale Nationalismus“[13] der russischen Führung unter Putin wird so unterschätzt. Deutlich wird dies mit einem näheren Blick auf die Ideologie des ‚Russkij Mir‘, einer vermeintlich ‚russischen Welt‘ also.
Drei Säulen werden dieser „Russischen Welt“ zugeschrieben: der russisch-orthodoxe Glaube, der russischsprachige Kulturraum mit dem entsprechenden historischen Gedächtnis sowie die gemeinsame Ethnie. Der ranghohe Klerus der ROK unterstützt diese Ideologie, die seit 2007 mit der Gründung einer gleichnamigen Stiftung institutionell ausgebaut wurde. Dafür zeigt sich auch die russische Regierung erkenntlich: Der Vertreter für außenkirchliche Beziehungen ist gesetztes Mitglied im Stiftungskuratorium. Dass die Stiftung sich als Einrichtung zur Pflege russischer Sprache und Kultur gibt, darf nicht über das aggressive Potenzial dieser Ideologie hinwegtäuschen.
Die Ideologie trennt scharf zwischen der eigenen, christlichen Zivilisation und der entgegengesetzten westlich-säkularistischen Zivilisation. Die vermeintliche „oktroyierte Zivilisierung“[14] des Westens, die Putin mit Verschwörungstheorien rund um die ukrainische Unabhängigkeit ausmacht, sei eine Gefahr für die russische Zivilisation. Patriarch Kyrill unterstützt dieses Feindbild. Zu Kriegsbeginn betonte der Moskauer Patriarch, es müsse alles getan werden, um „unser gemeinsames historisches Vaterland von allen äußeren Einwirkungen“ zu schützen: „Wir dürfen uns nicht von dunklen und feindlichen äußeren Kräften auslachen lassen!“[15] Umgekehrt könne sich die russische Armee auf „göttliche Unterstützung für ihre Taten“ durch den Erzengel Michael als „Oberbefehlshaber Gottes“[16] verlassen.
Der Westkurs der Ukraine, vor allem seit dem Euromaidan, tritt so als antirussische Verschwörung in Erscheinung, die die russische Zivilisation bedroht. Flankiert wird dies durch eine russisch-zivilisatorische Vereinnahmung der Ukraine. In einem im Juli 2021 veröffentlichten Aufsatz behauptete Putin, das russische und ukrainische Volk sei letztlich ein einziges Volk. Hauptaussage des Aufsatzes ist, das ukrainische National- und Staatsprojekt sei eine Erfindung externer Mächte und einer nur kleinen lokalen Elite, die sich gegen Russland und den Willen der ukrainischen Mehrheit gestellt habe.[17] Patriarch Kyrill zeigt sich auch diesbezüglich loyal. Ihm zufolge handle es sich bei Russen, Ukrainern und Belarussen letztlich um ein Volk, „das aus dem Taufbecken von Kiew hervorgegangen“[18] sei. Die verbreitete Redeweise von ‚Brudervölkern‘ wird auf diese Weise unterminiert. Eine geschwisterliche Interpretation dreier Völker wäre anschlussfähig für die Verträge der 1990er Jahre, als die drei Staaten ihre Grenzen vereinbarten, ihre Armee, Flotte und Atomwaffen aufteilten und einander Sicherheitsgarantien gaben. Ist hingegen von eigentlich einem Volk die Rede, untermauert dies den imperialen Kurs Putins. Die Vereinnahmung bildet den ideologischen Vorbau für die militärische Aggression.
Seitens der Ukrainisch Orthodoxen Kirche (UOK), die dem Moskauer Patriarchat zu Kriegsbeginn noch unterstand, wurde demgegenüber der Versuch unternommen, die dreifache Bruderschaft anders zu interpretieren. Bereits am 24. Februar forderte Metropolit Onufrij Putin auf, den ‚Bruderkrieg‘ unverzüglich zu stoppen. Der Krieg wiederhole Kains Sünde, der aus Neid den eigenen Bruder ermordete. Die ekklesiologische Vision einer dezidiert geschwisterlichen und nicht national orientierten Kirche weckte Hoffnungen auf ein stärker kritisches Potenzial der ROK gegenüber dem Kreml.[19] Innerorthodox wurde sie aber gleichermaßen verworfen.
In der „Erklärung zur Lehre von der ‚Russischen Welt‘ (Ruskij Mir)“[20], die von 1.500 vorwiegend orthodoxen Theolog_innen unterzeichnet wurde, wird die Semantik des ‚Bruderkriegs‘ als wahrheitswidrig abgelehnt: „Wir verurteilen aufs Schärfste jedes Gerede vom ‚Bruderkrieg‘, von der ‚Wiederholung der Sünde Kains, der seinen eigenen Bruder aus Neid tötete‘, wenn es nicht ausdrücklich die mörderische Absicht und die Schuld der einen Partei gegenüber der anderen anerkennt“[21]. Damit nimmt die Erklärung eine bereits seit längerem etablierte postkoloniale Kritik an der mythologischen Darstellung der drei brüderlichen Völker auf.[22]
Die Erklärung birgt aber weitaus mehr kritisches Potenzial. Sie wirft Kyrill Häresie vor und benennt die imperiale Dimension: es gehe bei der Ideologie des ‚Russkij Mir‘ um ein „gemeinsames politisches Zentrum (Moskau), ein gemeinsames geistiges Zentrum (Kiew als ‚Mutter aller Rus‘), eine gemeinsame Sprache (Russisch), eine gemeinsame Kirche (die russisch-orthodoxe Kirche, das Moskauer Patriarchat) und einen gemeinsamen Patriarchen (den Patriarchen von Moskau)“[23]. Der Ukrainekrieg werde von Kyrill als Krieg der Zivilisationen stilisiert, wobei die russische gegen die säkulare Zivilisation und damit gegen Liberalismus, Christenfeindlichkeit und Schwulenparaden kämpfe. Diese Lehre sei als „abscheulich und unhaltbar“, ja als „zutiefst unorthodox, unchristlich und gegen die Menschheit gerichtet“[24] zu verwerfen.
Naturgemäß fand die Erklärung bei der Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU) große Zustimmung. Bereits bei der Ausrufung der Ukrainischen Volksrepublik 1918 hatte sich ein Teil von ihr vom Moskauer Patriarchat gelöst. Auch durch Unterstützung des damaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko hatte sie am 6. Januar 2019 vom Ökumenischen Patriarchen die Autokephalie verliehen bekommen. 400 Priester der OKU unterstützten die Erklärung, Ende Juli bezeichnete auch Metropolit Epifanij Dumenko die Lehre als „rassistisch“ [25].
Die Dramatik des Krieges führte aber auch innerhalb der UOK zu tektonischen Verschiebungen. Die mit über 12.000[26] Pfarrgemeinden mitgliederstärkste orthodoxe Kirche in der Ukraine, die überdies etwa ein Drittel der Gemeinden des Moskauer Patriarchats ausmachte,[27] nahm am 27. Mai eine Resolution an, mit der sie Kyrill widersprach und die vollständige Unabhängigkeit der Kirche erklärte. Seither haben sich die Dialogbemühungen zwischen OKU und UOK intensiviert und eine Fusion zu einer ukrainisch-orthodoxen Kirche erscheint nicht mehr unmöglich. In einer gemeinsamen Erklärung hieß es, die ukrainisch-orthodoxe Einheit sei „Voraussetzung für die Einheit des Volks“ und „Garantie für die Stabilität des Staats“, die zudem dem „allgemeinen Wunsch der ukrainischen Gesellschaft“ entspreche.[28] Zum 28. Juli 2022, dem Tag der ukrainischen Staatlichkeit, wurde überdies ein offizieller Dialog zwischen beiden Kirchen aufgenommen.
Insofern erhärtet sich die bereits bei der Krim-Annexion getroffene Diagnose, dass die russische Aggression kontinuierlich die Annäherung unter den orthodoxen Christen in der Ukraine gefördert hat.[29] Damit dürften auch die Spannungen zwischen dem Ökumenischen und dem Moskauer Patriarchat zunehmen. Bereits beim orthodoxen Konzil von Kreta 2016 wurde kritisiert, das Konzil richte sich auf Grund der geopolitischen Konstellation gegen die russisch-orthodoxe Kirche.[30] Wie aber wirkte sich das auf die ÖRK-Vollversammlung in Karlsruhe aus?
3. Ausblick: der Krieg in Karlsruhe
Der Ukrainekrieg war eines der politisch umstrittensten Themen bei der ÖRK-Vollversammlung. Nachdem im Vorfeld ein Ausschluss der Delegation der ROK diskutiert, schließlich aber abgelehnt worden war, wurden die Äußerungen mit Spannung erwartet. Bundespräsident Steinmeier setzte bei der Eröffnung einen bemerkenswert kritischen Ton. Der Nationalismus der ROK, „der willkürlich Gottes Willen für die imperialen Herrschaftsräume einer Diktatur in Anspruch nimmt“[31], müsse den Widerspruch der Vollversammlung finden.
Bei der Versammlung sorgte das für Misstöne. Die politische Unabhängigkeit, aber auch die Konsensorientierung sei durch die versuchte Einflussnahme des Bundespräsidenten gefährdet. Diese ambivalente Haltung prägte schließlich auch die Abschlusserklärung des ÖRK. Zwar ist am Anfang der Erklärung von einer „russischen Invasion“[32] die Rede. Der Krieg sei „illegal und nicht zu rechtfertigen“[33]. Neben der Forderung nach einem unverzüglichen Waffenstillstand und der Einhaltung des humanitären Völkerrechts wird auch „jeglicher Missbrauch der religiösen Sprache und der Autoritäten, die bewaffnete Aggression zu rechtfertigen“[34] zurückgewiesen. Entscheidend ist aber, dass nicht benannt wird, wer genau die religiöse Sprache und seine Autorität missbraucht.
So verpasste es die Vollversammlung, die russische Aggression klarer zu benennen. Der Dialog wird mit einem schärferen Ton zu führen sein, damit die europäische Ökumene an Klarheit und Entschiedenheit gewinnt. Fromme Wünsche können die Analyse nicht ersetzen. Wer vermitteln will, muss die Aggression benennen.