Through the lens of reconciliation studies, the essay asks about the characteristics of various “turns of the times” in the public sphere, the effectiveness of boycotts, and the possibility of reconciliation in the midst of war.
Tagebucheintragung 09.10.2022. Gestern Abend Verstehen Sie Spaß angesehen. Der Schrecken heute morgen. Was würdest du machen, wenn in der Ukraine Atombomben fallen? Es erschreckt mich, wie wenig die Menschen sich diese Frage stellen. Die Medien unterhalten uns und die Politiker treffen keine Vorkehrungen. Würde ich weiter zur Arbeit gehen und den atomaren Fallout über mich ergehen lassen ohne zu wissen, wie stark er noch werden kann, oder würde ich meine Familie ins Auto packen und so schnell wie möglich Richtung Westen fahren? Es kann doch nicht sein, dass ich mir allein diese Fragen stelle.
In einer sich rasch verändernden Welt können Wahrheiten schal werden. Das wusste schon Hegel. Deshalb sind Wahrheiten nur selten ewig, sondern meist vergänglich.
Was über den Ukrainekrieg geschrieben wird, entkommt diesem Problem nicht. Was heute als wahr und ethisch gut beschrieben wird, kann morgen falsch sein, weil der Krieg sich geändert hat, weil neue Hintergründe bekannt werden, weil unerwartete Folgen eingetreten sind.
Der, der den Krieg befohlen hat, Wladimir Putin, überrascht, genauso wie der Kriegsverlauf. Im Februar und März dachten die meisten, Russland werde den Krieg gewinnen. Zuerst gingen viele von ein paar Tagen aus, dann von Monaten, die die Ukraine standhalten könne. Dann begann der Westen zu glauben, dass die Ukraine sich behaupten wird. An diese vielfach in den westlichen Medien wiederholte Sicht hat man sich gewöhnt und beginnt sich damit zu beruhigen und in Sicherheit zu wiegen. Wer aber weiß, ob diese Wahrheit nicht bald von den Ereignissen überrollt wird. Putin ändert immer wieder seine Meinung. Zuerst kein offizieller „Krieg“ und keine Mobilmachung, jetzt Teilmobilmachung und Krieg. Zuerst Unterstützung der Separatistenrepubliken, jetzt ihre Aufnahme in die Russische Föderation. Zuerst Aufrechterhaltung der Gasversorgung Europas, dann Aussetzen der Gaslieferungen. Zuerst konventioneller Krieg, dann zunehmend die Drohung mit taktischen Atombomben, vor allem bei einem Angriff auf russisches Territorium, wozu nach russischer Auffassung seit dem 30.9.2022 die vier Provinzen Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja gehören. Bei einem Angriff auf das eigene Territorium sind nach russischer Nuklearideologie Atomwaffen einzusetzen. Die Presse in Deutschland ist voll von Artikeln mit tröstlichen Wahrheiten, wie der, dass die Drohung mit Atomwaffen ein Bluff sei, dass die Amerikaner massive Reaktionen für diesen Fall angekündigt hätten, dass Putin bald abgelöst werden könnte. Auch vorher war die Presse voller tröstlicher Wahrheiten, Russland sei bald zahlungsunfähig, die Sanktionen würden Russland bis zum Herbst in die Knie zwingen, Russlands Armee würden die Soldaten ausgehen. Diese Wahrheiten sind schal geworden. Alles ist gegenwärtig möglich: Wenn ein Atomkrieg die Ukraine und weite Teile Ost- und Mitteleuropas einschließlich Deutschlands unbewohnbar machen und wenn Russland diesen Krieg gewinnen würde, wären viele Wahrheiten schal geworden. Das gleiche wäre der Fall, wenn es in Russland einen Wechsel zu einer demokratischen Regierung geben sollte.
In dieser Situation fragt dieses Essay danach,
wie diese Situation in Bezug auf Wahrheit und Zeit zu verstehen ist und
ob die Versöhnungsforschung anderes und mehr zu bieten hat als die gleich nach dem Überfall der russischen Armee auf die Ukraine vom deutschen Bundeskanzler verkündete Wahrheit einer Zeitenwende.
Der erste Teil des Essays bis Punkt 7 ist der 1. Thematik gewidmet, der zweite Teil gibt einige Ideen zur 2.Thematik wieder. Am Ende wird die 1. Thematik wieder aufgenommen.
Zunächst ist dabei zu klären, wie die Wahrheiten und Gewissheiten der Zeitenwende aussehen. Aussagen von Kanzler Scholz und von Bundesministern zusammenfassend könnte man die Zeitenwendeideologie in etwa wie folgt zusammenfassen:
Die deutsche Politik ist tief enttäuscht von Wladimir Putin. Durch die völkerrechtswidrige Invasion in der Ukraine hat er gezeigt, dass der bisherige Ansatz der deutschen Außenpolitik nicht erfolgreich war, der daraus bestand, (1.) durch die Minsker Vereinbarungen die bewaffneten Konflikte lokal zu begrenzen und in ihrer Dynamik einzufrieren, (2.) sehr darauf zu achten, Russland nicht zu provozieren und (3.) darauf zu bauen, dass intensive Wirtschaftsbeziehungen im Verbund mit anderen Arten der Kooperation Vertrauen schaffen und in Russland zu einem Wandel führen. (4) Man vermeidet eine eindeutige Stellungnahme zugunsten der Ukraine und gegen Russland. Alle vier Strategien sind durch die Invasion widerlegt. Stattdessen werden folgende Wahrheiten in Geltung gesetzt: (1.) Russland ist ein gefährlicher expansiver Feind des Westens, der nur mit militärischer Abschreckung in Schach gehalten werden kann, (2.) die Verteidigungsbereitschaft der NATO hat hohe Priorität, was dazu führt, dass der Verteidigungshaushalt Deutschlands der größte in Europa werden soll, und (3.) Wirtschafts- und andere Beziehungen zu Russland sind so vollständig wie möglich zu unterbinden. (4) Im Fall des Ukrainekriegs bedeutet dies eine starke Unterstützung der Ukraine mit Waffen – soweit es möglich ist und ohne die Schwelle des Kriegseintritts zu überschreiten.
Im Vergleich zu den alten Wahrheiten sind die neuen Wahrheiten auf den ersten Blick nicht weniger als das kontradiktorische Gegenteil. Eine nähere Analyse der Diskurse und der aufgewendeten Finanzmittel und intellektuellen Ressourcen zeigt freilich, dass kein Gleichgewicht zwischen den Wahrheiten der Zeit vor dem Februar 2022 und seit dem Februar 2022 besteht. Einer mit relativ wenig Aufwand und Entschlossenheit betriebenen vorsichtigen Friedenspolitik steht eine zu großen Investitionen, großen Transformationen und zu großen Opfern bereite neue Wahrheit gegenüber. Zu den Investitionen gehören die Aufstockung des deutschen Militäretats zum größten Militäretat Europas, die 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr, die mehrere 100 Milliarden teuren Rettungsmaßnahmen für die Wirtschaft und für Haushalte. Die Transformation betrifft die vollständige Neuausrichtung der Wirtschaft vom Handel mit Russland weg, aber auch den Abschied von der Schuldenbremse und der Abschied von der Abrüstungspolitik. Nach Aussagen der Verteidigungsministerin soll Deutschland im militärischen Bereich eine Führungsrolle in Europa einnehmen, eine Aussage, die im Aus- und Inland stellenweise auch schon zu Besorgnis aufgrund der deutschen Geschichte geführt hat, ebenso wie die stehenden Ovationen bei der Verkündung des Sondervermögens von 100 Milliarden. Zu den Opfern gehört die Schuldenlast, die künftige Generationen tragen müssen, ebenso wie die Inflation und die gekürzten Mittel in Bereichen wie Bildung. Die Vertreter der neuen Wahrheit zeigen sich in der Rhetorik sehr entschlossen. Wer zögert oder andere Meinungen vertritt, erfährt in der Öffentlichkeit starken Gegenwind. Pazifismus, Zweifel an den Waffenlieferungen oder an den Boykotten führen zu einer Art von Exkommunikation aus dem Kreise derer, die sich selbst als die einzigen ansehen, die aus der Invasion Putins die richtigen Konsequenzen gezogen haben wollen.
Der in Yale lehrende Historiker Timothy Snyder unterscheidet in seinem Buch Der Weg zur Unfreiheit (Snyder 2018) zwischen Politiken der Unausweichlichkeit und Politiken der Ewigkeit. Der Westen habe seit den 1990er Jahren an eine Politik der Unausweichlichkeit geglaubt, die davon ausgeht, dass die immer weiter fortschreitende Globalisierung unausweichlich dazu führe, dass sich die Regeln, Ideale und Lebensweisen des Westens weltweit durchsetzen. Insbesondere bei freier Markwirtschaft und Freihandel hatte man diese Überzeugung, ging aber auch davon aus, dass Meinungsfreiheit, Demokratie, friedliches Konfliktmanagement und Menschenrechte auf längere Sicht der Globalisierung nachfolgen werden. Diese Politik der Unausweichlichkeit habe, so Snyder, in Russland und anderen Ländern eine Politik der Ewigkeit hervorgerufen. Ihr zufolge gelte es die ewigen Wahrheiten der eigenen Nation und Kultur gegen die Einflussnahme des Westens zu verteidigen, was auch das Wiedererstarken autoritärer und repressiver Verhaltensweisen in Institutionen wie im Militär, der Polizei oder der Bürokratie beinhaltet.
Konservative Denker sehen die Zeitenwende als eine Rückkehr zu dem, was immer schon klar war, nämlich, dass es immer Kriege geben wird in dieser Welt und dass die Obrigkeit gemäß der lutherischen Zwei-Reiche-Lehre das Schwert führen muss, um das Böse einzuschränken und um die Bevölkerung vor den stets vorhandenen Feinden zu schützen. Dies klingt wie eine ewige Wahrheit, zumindest für diesen Äon. Wenn die Zeitenwende so zu verstehen sein sollte, dann sind wir im Westen tatsächlich auch schon bei einer Politik ewiger Wahrheiten angelangt. Dass Kriege sich durch die Jahrhunderte grundlegend verändern und vielleicht sogar verschwinden können, wird in dieser Sicht a priori ausgeschlossen.
Politiken der Unausweichlichkeit wie auch Politiken der ewigen Wahrheiten, wenn sie etwa das ewige Bestehen einer Nation oder die Ewigkeit bestimmter theologisch-politischer Lehren verkünden, werden nicht der unberechenbaren Dynamik des Weltgeschehens gerecht. Wie schon Paul Tillich wusste, verwechseln sie vergangene Wahrheiten mit ewigen Wahrheiten. Tillich bezeichnet dies als „Fundamentalismus“. „Der Fundamentalismus versagt vor dem Kontakt mit der Gegenwart, und zwar nicht deshalb, weil er der zeitlosen Wahrheit, sondern weil er der gestrigen Wahrheit verhaftet ist. Er macht etwas Zeitbedingtes und Vorübergehendes zu etwas Zeitlosem und ewig Gültigem. Er hat in dieser Hinsicht dämonische Züge“ (Tillich 2017, 9). „Religiöser Nationalismus“, den wir auch heute in Russland erleben, ist für Tillich das beste Beispiel für heutigen Götzendienst (ebd. , 17).
Hoffen wir, dass zumindest im Westen die Zeitenwende nicht als Rückkehr zu ewigen Wahrheiten zu verstehen ist! Die Geschichte des politischen Gebrauchs der Rede von Wenden weist darauf hin, dass es sich nicht um etwas sehr Langlebiges handeln könnte.
Deutsche Politiker jedenfalls lieben es, Wenden auszurufen. Es war kein Geringerer als Helmut Kohl, der im Wahlkampf 1980 und in seiner ersten Regierungserklärung 1983 eine „geistig-moralische Wende“ ankündigte. Politiker sollen mehr geistige Führung übernehmen, Vorbilder sein und sich nicht vom Zeitgeist treiben lassen, so wie es Kohls Meinung nach die sozialdemokratische Regierung Schmidt getan habe. Rückblickend haben sich nicht wenige gefragt, was sich wirklich geändert hat. Die Regierung Kohl-Genscher führte in allen wesentlichen Punkten die Politik der Regierung Schmidt-Genscher fort. Ebenfalls 1980 forderten Wissenschaftler die Energiewende. Diese Rede wurde bald von der Partei die GRÜNEN und dann auch von anderen übernommen. Bis heute wird man sagen können, dass sich zwar manches geändert hat, aber der notwendige große Umschwung zu einer nachhaltigen Energiewirtschaft, die die drohende Klimakatastrophe verhindert, fand bisher nicht statt. 2010 sprach Guido Westerwelle (FDP), nachdem seine Partei in die Regierung gelangte, von einer „geistig-politischen Wende“. Der versprochene Bürokratieabbau fand genauso wenig statt wie der große Aufbruch digitaler Technologien.
Auch der Osten Deutschlands hatte seine Wenden. Es war ein geschickter Schachzug von Egon Krenz (SED) als er in seiner Antrittsrede am 18. Oktober 1989 die Rede von einer „Wende“ einführte und damit im Wesentlichen seinen eigenen Machterhalt mit Durchführung einiger weniger Reformen verstand. Zum Leidwesen vieler Oppositioneller in der DDR etablierte sich bis heute seine Rede von einer „Wende“ für die die Veränderungen von 1989. Sie steht heute oft neben der viel angemesseneren Rede von der friedlichen (oder besser: gewaltlosen) Revolution. Im Wahlkampf 2019 propagierte die AfD in Brandenburg und Sachsen eine Wende 2.0. Sie spielte damit ausgerechnet auf 1989 an, allerdings ohne klarzumachen, was genau geändert werden sollte.
Allen diesen Wenden ist gemeinsam, dass sie zwei Hauptcharakteristika haben: sie gehören zur Rhetorik prekärer Übergangssituationen von Wahlkämpfen und Machtwechseln und sie sind de facto nahezu wirkungslos. Es mag beruhigen oder erschrecken, aber kein einzelner Politiker und keine Partei hat es in der Bundesrepublik Deutschland vermocht, grundlegende Politikwechsel durchzuführen.
Alle Parteien hatten somit ihre Wenden. Nur die Sozialdemokraten hatte bis vor kurzem noch keine. Das änderte sich in gewisser Weise am 27. Februar 2022, als Bundeskanzler Olaf Scholz sagte:
„Der 24. Februar 2022 markiert eine Zeitenwende in der Geschichte unseres Kontinents. Mit dem Überfall auf die Ukraine hat der russische Präsident Putin kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen. Aus einem einzigen Grund: Die Freiheit der Ukrainerinnen und Ukrainer stellt sein eigenes Unterdrückungsregime infrage. Das ist menschenverachtend. Das ist völkerrechtswidrig. Das ist durch nichts und niemanden zu rechtfertigen.“
Vor dem Hintergrund der Wenderhetorik ist es verständlich, dass schon bald Zeitungen fragten, ob auch diese Rede nicht mehr als Rhetorik sei. Man sieht freilich inzwischen allgemein ein, dass wir es mit weit mehr als mit Wenderhetorik zu tun haben, freilich aber auch nicht mit der Verkündung ewiger, unveränderlicher Wahrheiten.
Dieses Mal ändert sich wirklich etwas. Anders als bei den anderen Wenden handelt es sich bei der „Zeitenwende“ nicht um einen Kraftakt eines Politikers oder einer Partei, die gegen den Strom des Zeitgeistes ankämpfen. Zeitenwende meint, dass der Zeitgeist sich verändert habe. Diesem Zeitgeist habe deutsche Politik zu folgen. Anders als bei den anderen Wenden, wurden schnell und in größtem Stil Finanzmittel bereitgestellt: 100 Milliarden für die Bundeswehr, ein paar Millionen für die Ukraine. Noch unabsehbar viele Hunderte von Milliarden werden folgen, um die Auswirkungen des Boykotts gegen Russland abzumildern. Neu und innovativ ist an der Zeitenwende freilich nichts. Scholz erinnerte zu Recht an die Wiederaufnahme imperialistischer Machpolitik aus der Zeit vor der Gründung der Vereinten Nationen, mit der wir es bei dem Überfall Russlands zu tun haben.
Häufig wird gesagt, wir würden in die Zeit des Kalten Krieges zurückkehren. Für Russland kann man sich fragen, ob der Rückfall in noch viel frühere Zeiten stattfindet. Genozidale Überfälle auf andere Länder, denen man die Existenzberechtigung abspricht, das entspricht der Zeit vor dem Entstehen der UNO und insbesondere den Angriffskriegen von Ländern wie Japan gegenüber Korea, NS-Deutschland gegenüber Polen, dem faschistischen Italien gegenüber Äthiopien und Albanien oder auch kolonialen Eroberungen der Kolonialmächte. Nimmt man die unter 3. genannten vier Wahrheiten als Grundlage der Überlegung, so kann man feststellen, dass die Reaktionen des Westens der ersten Phase des Kalten Krieges mit kleinen Veränderungen entsprechen. Auch damals war (1.) Russland der Feind, den es durch militärische Abschreckung im Schach zu halten galt. Ebenso kam (2.) der NATO hohe Priorität zu, was unter anderem zur Wiederbewaffnung Westdeutschlands führte (3.) Wirtschafts- und andere Beziehungen zwischen dem Westen und Russland gab es Anfang der 1950er Jahre kaum und (4) Im Fall eines Stellvertreterkriegs wie in Korea war der Westen zu starker Unterstützung bereit.
Im späteren Kalten Krieg, nach der Kuba-Krise (1962) und der „A Strategy of Peace“ betitelten Rede von Präsident Kennedy an der American University in Washington D.C. am 10. Juni 1963 brach eine zweite Phase des Kalten Kriegs an. Bereits die Rede von Kennedy wurde mit viel Anerkennung vollständig in der Sowjetischen Presse abgedruckt. Die Sowjetunion wurde nicht mehr nur als Feind angesehen, diplomatische Bemühungen zur Verhinderung massiver Konfrontationen setzten ein. Atombombentests wurden seltener. Wirtschaftskontakte, Sportkontakte, Wissenschaftskontakte wurden etabliert oder gestärkt und so wurde eine immer stärkere Gegenströmung im Kalten Krieg installiert, die über Abrüstungsgespräche, die deutsche Entspannungspolitik, den Helsinki-Prozess und viele andere Schritte dazu führten, dass durch die Opposition in Mittel- und Osteuropa und durch den Politikwechsel, den Michail Gorbatschow vollzog, der Kalte Krieg beendet wurde. Diese Analyse führt zu drei kritischen Fragen, die überleiten zum 2. Teil, der sich mit Versöhnungsforschung beschäftigt. Diese Fragen sind:
Es scheint so, dass die Zeitenwende keine inhaltlichen Innovationen bringt, sondern bloß eine Rückkehr zu den 1950er Jahren unter den Bedingungen der Gegenwart ist. Man kann in beiden Richtungen fragen: Wäre der russische Rückfall in die Zeiten vor der Existenz der UNO nicht mit ähnlichen Mitteln zu beantworten wie denen, mit denen den gewaltsamen Besetzungen der Achsenmächte im 2. Weltkrieg oder der kolonialen Besetzung fremder Länder ein Ende bereitet wurde? Da ein dritter Weltkrieg selbstmörderisch wäre, könnte man de facto nur an Inspirationen an den Widerstand von Kolonien denken. Andererseits: Wäre es nicht möglich, wenigstens etwas von Anfang an anders und besser zu machen als in jener Zeit, in der die Welt mehrmals kurz vor dem Atomkrieg und der Auslöschung der Menschheit stand?
Der größte Unterschied zwischen der ersten Phase des Kalten Krieges und der zweiten waren die unter Punkt (3.) benannten Kontakte und Kooperationen. Letztere wurden in den letzten Monaten überwiegend vom Westen aus in einer sehr umfassenden Weise durch Boykotts und Einreisehindernisse abgebrochen. Die Frage ist: War dies hilfreich und ist dies nötig? Musste der Rückschritt in der Zeit so weit gehen oder wäre es nicht möglich gewesen, sich auf die Position der zweiten Phase des Kalten Krieges zurückzuziehen? In dieser Phase waren immerhin Versöhnungs- und Transformationsdynamiken am Werk und konnten sich stark entfalten.
Die dritte Frage lässt sich schon beantworten. Sie lautet: Wäre angesichts des schnellen Schalwerdens von Wahrheiten und der zahlreichen Fehleinschätzungen im Ukrainekrieg ein anderer Denkstil notwendig? Ewige Wahrheiten und Annahmen von Unausweichlichkeiten helfen nicht weiter. Manche in den Medien vorgetragenen selbstsichere Überzeugungen von Expert_innen vermitteln Scheinsicherheiten, die nach einer Woche bereits peinlich wirken. Stattdessen ist ein Denken verlangt, das lernfähig und für Korrekturen offen ist. Selbst die vier Grundüberzeugungen der Zeitenwende müssen revidierbar und für Ergänzungen offen sein. In diesem lernoffenen Stil arbeitet Versöhnungsforschung bei jeder Übertragung ihrer Erkenntnisse auch mit Blick auf einen neuen Konflikt. Versöhnungsforschung verbindet sich mit der Praxis auf der Basis der aristotelischen Tugend der Phronesis, des stets neuen Findens des Angemessenen in Abhängigkeit von Situation und handelnder Person.
Eine kritische Vorfrage ist, ob die Politik Deutschlands gegenüber Russland in der Zeit zwischen 1990 und 2022 nicht selbst eine Versöhnungspolitik war. Ist Versöhnung am Ende in diesem Fall gescheitert?
Um diese Frage zu beantworten, muss man erst definieren, was man unter Versöhnungspolitik versteht. Versöhnungspolitik ist nicht eine Politik der Hinnahme von Rechtsbrüchen und Besatzungen. Das wäre Normalisierung im negativen Sinn des Wortes, in dem es von der Tschechoslowakei nach 1968, nach dem Einmarsch von 500.000 Soldaten aus dem Warschauer Pakt, gebraucht wurde. Versöhnung geht es zentral um Gerechtigkeit und Wahrheit.
Definieren kann man Versöhnung als den vielfältigen Prozess der Schaffung besserer Beziehungen nach einschneidenden Vorkommnissen wie Krieg, Bürgerkrieg, Völkermord, Diktatur, Kolonialismus, Apartheid und anderen schweren Menschenrechtsverletzungen. Im Bezug auf die Vergangenheit setzt Versöhnung die gemeinsame Aufarbeitung des geschehenen Unrechts voraus. Neben der Aufdeckung der Wahrheit, gehören zur Aufarbeitung Wahrheits- und Versöhnungskommissionen, unterschiedliche Weisen der juristischen Aufarbeitung, die Schaffung und Pflege von Erinnerungsorten, Traumatherapien, Reparationen und gemeinsame Trauer über das, was nicht wiedergutgemacht werden kann. In Bezug auf die Gegenwart geht es Versöhnung um Begegnungen ehemaliger Feinde, die Räume für den Abbau von Stereotypen und Feindschaft, Kooperation, Vertrauensbildung, Schuldbekenntnisse und Vergebung schaffen. Im Bezug auf die Zukunft unterstreicht Versöhnung das In-Kraft-Setzen einer neuen Ordnung, die die Sicherheit gewährleistet und ein „Nie wieder!“ ermöglicht, sowie die Ausrichtung auf eine gemeinsame Zukunft und die nachhaltige Überwindung von negativen Stereotypen über den andern in Schulbüchern, in den Medien und überhaupt im öffentlichen Diskurs.
Insgesamt gehören zu Versöhnungspolitiken mindestens 20 unterschiedliche Praktiken, die alle unter der übergreifenden Perspektive der Versöhnung ausgeübt werden können. Keine dieser Praktiken muss als Teil eines Versöhnungsprozesses verstanden werden, jede kann in Ausrichtung auf Versöhnung und in einer versöhnenden Weise unternommen werden. Eine offene Liste der auf einen vorausgehenden Krieg bezogenen Praktiken, die als Versöhnungsaktivitäten durchgeführt werden können, schließt folgende Aktivitäten ein: (1) Entwaffnung, Demobilisierung und Reintegration von Kämpfern in das friedliche Leben, (2) Abrüstungsverträge, (3) die Schaffung einer gemeinsamen Sicherheitsarchitektur, (4) regelmäßige Konsultationen, (5) vertragliche Regelungen strittiger Probleme, (6) Wahrheits- und Versöhnungskommissionen, (7) Historikerkommissionen, (8) Strafprozesse gegen Täter_innen, (9) restaurative und transformative Gerechtigkeit, (10) Reparationen, (11) Traumatherapien, (12) Öffentliche Entschuldigungen und gegebenenfalls Vergebung, (13) gemeinsames Betrauern der Opfer und alles dessen, was nicht wiederhergestellt werden kann, (14) die Schaffung einer Erinnerungskultur, (15) Jugend-, Schüler- und Studierendenaustausch, (16) Städtepartnerschaften und andere Kooperationen, (17) Schulbuchreformen, Veränderung der Rede in den Medien, (18) Gemeinsame Jugendparlamente, (19) Zusammenarbeit in internationalen Verbünden, (20) vertrauensvolle Kooperationen in allen Bereichen wie Wissenschaft, Wirtschaft, Kunst, Religion, Medien und Sport.
Im Bezug auf Russland gibt es neben schweren Vorkommnissen im 2.Weltkrieg insbesondere gegenüber Polen, der Ukraine und den baltischen Staaten auch andere schwere Vorkommnisse, die Versöhnung verlangen: die kommunistische Diktatur und die Verbrechen des Stalinismus vor allem im Bereich der Sowjetunion, wie etwa der Holodomor in der Ukraine. Schließlich auch die Kontrolle, die direkte Gewalt, die Invasion und Ausbeutung anderer Warschauer Pakt-Staaten in der Zeit des Kalten Krieges. Umgekehrt gibt es insbesondere von deutscher Seite die millionenfachen Verbrechen der Wehrmacht und der SS gegen sowjetische Staatsbürger im 2. Weltkrieg zu bearbeiten.
Eine genaue Überprüfung dessen, was als Versöhnungspolitik seit 1989 unternommen wurde, würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen. Als Gesamtbild ergibt sich aber, dass es nach 1989 zwar Ansätze der Versöhnungspolitik in und mit Russland gab, sie waren aber meist nicht von Dauer, ohne adäquate finanzielle Unterstützung und führten nicht zu sozialem Lernen und zu sozialem Wandel. Ich möchte drei Beispiele aus unterschiedlichen Versöhnungsfeldern Russlands nennen:
Im Russland der 1990er Jahre gab es einen „Frühling der Archive“ mit dem Beginn der historischen Aufarbeitung der Sowjetzeit. Über die Jahre seither zeigt der Umgang des russischen Staates mit der NGO „Memorial“, dass er zunehmend kein Interesse an der Aufdeckung der Wahrheit über die Sowjetzeit hatte. Nach vielen Behinderungen ihrer Arbeit erhielt die NGO am 7. Oktober 2022 zwar den Friedensnobelpreis; ihre Büros in Russland wurden aber am gleichen Tag beschlagnahmt. Die Zahl der Museen, die an die Gulags erinnern, war nie groß. So ist auch das Wissen großer Teile der Bevölkerung über die Verbrechen des Stalinismus so gering, dass es zu einer gewissen Rehabilitierung Stalins in der russischen Öffentlichkeit kommen konnte. Jedes Jahr wird zum Beispiel zum Jahrestag der Schlacht der Name der Stadt Wolgograd umbenannt in Stalingrad. Russland gibt heute ein Beispiel dafür, dass ein Land, das seine Vergangenheit nicht aufarbeitet, dazu verdammt ist, sie wieder zu be- und erleben.
Seit 2004 gibt es ein Abkommen zwischen der BRD und der russischen Föderation, das zur „Hamburger Stiftung deutsch-russischer Jugendaustausch“ geführt hat, die 2006 die ersten Jugendaustauschprogramme durchführte. Diese Stiftung hat sogar ein deutsch-russisches Jugendparlament eingerichtet. Die Hamburger Stiftung verfügte 2019 über eine Jahresetat von 3.247.000 €. (vgl. Stiftung deutsch russischer Jugendaustausch 2020 ). Alle Mittel kamen aus Deutschland; es gab keine Beteiligung des russischen Staates oder anderer russischer Geldgeber. Dieser Betrag ermöglichte 2019 unter anderem 5.666 Personen im schulischen Bereich an einem Austausch teilzunehmen. Verglichen mit dem deutsch-französischen Jugendwerk, das 2020 über ein Jahresbudget von 30.624.710 € verfügte (vgl. https://www.dfjw.org/institution/zahlen.html ) ist dieser Betrag sehr gering, vor allem wenn man bedenkt, dass Russland mit mehr als 140 Millionen Einwohnern etwa doppelt so viele potentielle Personen für einen Austausch hat wie Frankreich. Die Zahl der Teilnehmer allein am schulischen deutsch-russischen Austausch nahm von 12.475 im Jahr 2006 auf 5.666 in Jahr 2019 ab. Danach fanden durch die Pandemie weitgehend digitale Programme statt. Mit dem Angriff auf die Ukraine hat die Hamburger Stiftung den Austausch ganz eingestellt. Bis auf ökonomische Kooperation (Praxis 20) unter dem Motto „Wandel durch Handel“ gab es keine einzige Versöhnungspraxis, die zwischen beiden Ländern eine größere positive Entwicklung genommen hätte. Die Hamburger Stiftung für Jugendaustausch ist noch die Versöhnungspraxis, die am weitesten vorangekommen ist.
Russland hat vor allem in einem Fall die Versöhnung gesucht. Zum Erstaunen vieler gab es die gemeinsame russisch-polnische Errichtung der Gedenkstätte in Katyn, die Offenlegung der Dokumente, das russische Bekenntnis zu dem Massaker und die Begegnung im Jahr 2010 mit dem tragischen Flugzeugabsturz, bei dem der polnische Präsident Lech Kaczynski ums Leben kam. Nach dem Absturz empfanden viele Pol_innen eine vorher ungekannte emotionale Nähe zu Russ_innen, wie man in der Analyse sozialer Medien festgestellt hat. Aber es gab keine nennenswerte Fortsetzung der russisch-polnischen Versöhnungspolitik.
Zusammenfassend wird man deshalb sagen können, dass man in den Jahren 1990 bis 2022 kaum von einer Versöhnungspolitik in und mit Russland sprechen kann. Es gab Ansätze, isolierte Maßnahmen, aber keine Nachhaltigkeit und keine Tiefenwirkung in die Gesellschaften. Intensiv war nur die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Diese allein führt aber nicht zu Versöhnung. Mangel an Engagement, Ernsthaftigkeit und Respekt lag oft auf russischer, aber keineswegs allein auf russischer Seite. Wenn es um die Integration in eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur geht, hat auch der Westen seinen Anteil. Ein gemeinsamer Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok, eine intensivere Kooperation mit der NATO bis hin zu einer Aufnahme Russlands in die NATO (sic!) und eine Perspektive auf eine EU-Mitgliedschaft, wurden in den 1990er Jahren angedacht und diskutiert. Horst Teltschik, der stellvertretender Leiter des Kanzleramts unter Helmut Kohl war, beschreibt die Geschichte der Beziehungen zwischen dem Westen und Russland als „Spirale des gegenseitigen Misstrauens, wobei Moskau immer wieder auch Signale seiner grundsätzlichen Kompromissbereitschaft aussandte und der Westen es insbesondere in der Schlüsselzeit 2007/08 an Kompromissbereitschaft fehlen ließ.“ (Teltschik 2019, 203). Heute kann man sich die Chancen der 1990er und 2000er Jahre nicht mehr vorstellen. Sie waren aber real. Wäre man mit ihnen weitergegangen, wäre jetzt vielleicht kein Krieg in der Ukraine.
Das Wichtigste, was Versöhnungsforschung heute zum Krieg in der Ukraine sagen kann, ist, dass es nötig ist, wieder einen Weg aus dem Krieg zu finden. Bisher breitet sich der Krieg imperialistisch aus. Er nimmt immer mehr Bereiche des Lebens ein. Wirtschaftsbeziehungen, Friedensverhandlungen, gemeinsame Sportereignisse, Wissenschaftszusammenarbeit – alles wird eingestellt. Die ukrainische Regierung stellt die Teilnahme an Friedensverhandlungen mit Russland unter Strafe. Damit kann es auch keine Track 2 Diplomatie geben. Russische Schriftsteller wie Puschkin und Dostojewski werden aufgrund des Krieges kritisch betrachtet. Selbst Russ_innen und Ukrainer_innen im Ausland werden getadelt, wenn sie gemeinsam für Versöhnung beten, so wie es beim Kreuzweg im Kolosseum in Rom am Karfreitag 2022 war (vgl. Gehrig, Mares 2022 ). Einen bisherigen Höhepunkt hat diese Entwicklung erreicht, als der ukrainische Präsident Selenskyj sich weigerte dem ukrainischen „Center for Civil Liberties“ zum Friedensnobelpreis zu gratulieren. Eine Pressemeldung berichtet darüber:
„Selenskyj habe ihnen bisher nicht gratuliert, so Matwijtschuk [sc. eine der Sprecherinnen des ukrainischen Center for Civil Liberties, M.L.]. Schon nach der Bekanntgabe der Auszeichnung hatte Selenskyj-Berater Mykhailo Podoljak unter anderem getwittert, das norwegische Nobelpreiskomitee habe ein seltsames Verständnis von Frieden, wenn Vertreter zweier Länder, die ein drittes angegriffen hätten, gemeinsam den Friedensnobelpreis bekämen. Weder die russische noch die belarussische Organisation hätten Widerstand gegen den Krieg gegen die Ukraine organisieren können.“ (vgl. Beer 2022).“
Der ukrainische Präsident scheint der Auffassung zu sein, das ukrainische Center hätte die Auszeichnung nicht annehmen sollen, weil gleichzeitig russische und weißrussische NGOs den Preis erhalten haben. Gleichzeitig klingt die These einer Kollektivschuld aller Russ_innen einschließlich der Opposition und einer Kontaktsperre zu allen Russ_innen an. Die Sprecherin des Centers stellte richtig:
„Der gemeinsame Friedensnobelpreis sei keinesfalls ein altes Narrativ über brüderliche Völker der Sowjetunion, kommentierte Matwijtschuk diese Haltung. ‚Dies ist eine Geschichte über den Widerstand gegen ein gemeinsames Übel, es ist eine Geschichte darüber, wie Menschenrechtsaktivisten in verschiedenen Ländern horizontale Verbindungen untereinander aufbauen, um Probleme zu lösen, die keine nationalen Grenzen haben‘, so Matwijtschuk.“ (aaO).
Über diese Aussagen hinaus müsste man festhalten, dass Kollektivbestrafungen schon durch die Genfer Konvention Artikel 3 verboten sind.
Die Erfahrung der Versöhnungsforschung aus vielen Konflikten ist darüber hinaus, dass schon mitten im Konflikt die Wege für bessere Beziehungen, die dann zum Frieden führen, gebahnt werden müssen.
Eine dualistische Weltsicht greift zudem auf beiden Seiten des Konflikts immer mehr um sich. Gut und Böse sind eindeutig verteilt. Im Westen sind die Ukrainer_innen die Guten und die Russ_innen die Bösen. Das hat ein großes Recht, aber eben kein absolutes Recht. Es gibt auch problematische Seiten der Kriegsführung der Ukraine. Auch der Dualismus ist keine gute Vorbedingung für einen Frieden. Von westlichen Medien wird die ganze Welt eingeteilt in Unterstützer_innen der Ukraine und in Länder, die den Boykott nicht oder angeblich unzureichend unterstützen. Diese werden, obwohl sie in der UN gegen Russlands Aggression gestimmt haben, sehr schnell als Unterstützer Putins aus der Gruppe der Länder, die sich für die gerechte Sache einsetzen, ausgestoßen.
Wer in der Logik von Kontaktabbruch und Dualismus denkt, verschärft den Konflikt. Schlimmer noch ist, dass diese Logik keinen nichtmilitärischen Weg zum Frieden zulässt. Die Gefahr eines langen Krieges in der Ukraine ist sehr real, wenn die Grundüberzeugung (3) der Weltsicht der Zeitwende nicht geändert wird.
Aus Sicht der Versöhnungsforschung würde ich deshalb anregen, den Konflikt zu verkleinern, statt ihn größer werden zu lassen. Der Krieg beruht auf einem Versagen von Politiker_innen und Militärs. Er möge auch bei ihnen bleiben. Wirtschaft, Wissenschaft, Diplomatie, Kunst, Religion, Sport oder persönliche Freundschaften muss der Konflikt nicht in seine Logik einbeziehen. Wenn sie frei bleiben, können sie Räume zum Frieden werden.
1985 – die Welt war, ohne dass sie es wusste, vor gut einem Jahr mit knapper Not einem Atomkrieg aus Versehen entgangen (vgl. WDR 2018) – da hielt Heino Falcke, Theologe aus der DDR, auf dem Düsseldorfer Kirchentag einen Vortrag mit dem Titel „Die Feinde lieben“. Es war einer der unvergesslichen Momente der Friedensbewegung, die, obwohl es ihr nicht gelungen war die Nachrüstung zu verhindern, einfach weitermachte. Heino Falcke erinnerte zu Anfang seiner Rede an ein 1983 gleichzeitig in der DDR und in der BRD erschienenes Buch der in der DDR lebenden Schriftstellerin Christa Wolf, das auf Vorlesungen zurückging, die sie in Frankfurt am Main gehalten hatte:
„Christa Wolf hat in ihrer Kassandra-Erzählung die Entwicklung einer Feindschaft beschrieben. Selber ein Stück weit Kassandra, hält sie uns im Gleichnis des Trojanischen Krieges vor, wohin wir im Abschreckungssystem treiben. Die Griechen – für unsere Väter noch Inbegriff der Humanität – wandeln sich ihr zum Inbegriff einer nur noch funktional-technischen Gewalt, die keiner menschlichen Beziehung fähig ist. Die Troer aber werden ihren Feinden immer ähnlicher. Erstes Zeichen des ‚Vorkrieges‘ ist: Sie richten sich nach dem Feind. Gegen Ende aber sagt Kassandra: ‚Der Feind hielt außer uns und in uns jeden Zoll besetzt.‘ […] Auch das Siegen verliert seinen Sinn und eröffnet keine Zukunft. Von Griechen nach ihrer Zukunft befragt, antwortet Kassandra: ‚Wenn ihr aufhören könntet zu siegen, wird diese eure Stadt bestehen‘. Ob sie es können?“ (Falcke 2014, 150).
Sprachpragmatisch ist der Vortrag sehr reizvoll. Der Text von Heino Falcke vollzieht, was gesagt wird. Die Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschen sind vielfach verwischt. Ein Theologe aus Ostdeutschland redet im Westen über Feindesliebe. Sind die Westdeutschen die Feinde, die geliebt werden sollen oder wird den Westdeutschen gesagt, dass sie ihre Feinde in Ostdeutschland lieben sollen. Wahrscheinlich beides zugleich. Das gleiche verdoppelt sich im Zitat. Der Text, den Christa Wolf nach einer gängigen Interpretation für die DDR geschrieben hat, wird den Christen in der BRD präsentiert und ist für sie genauso gültig. Die Westdeutschen und die Ostdeutschen sind sich ähnlich geworden, wie die Troer ihren Feinden ähnlich geworden sind. Gemeinsam sind sie in der Logik der Feindschaft, der Abschreckung und der funktional-technischen Gewalt gefangen. Der Vortrag reduziert die Menschen aber nicht auf das, was sie durch Feindschaft, Abschreckung und Gewalt geworden sind. Sie werden auf etwas ganz anderes, sehr Personales angesprochen: auf ihre Liebe zu den Feinden. In diesem nicht eindeutigen Kommunikationsraum, in dem es nicht klare Freunde und Feinde gibt, wird es leicht, den Ruf des Evangeliums zur Umkehr zu hören. Aus der „befreienden, Vertrauen weckenden Nähe Gottes entspringen neue Lebensmöglichkeiten, ja eine neue Mächtigkeit zu leben und dazu gehört auch die Überwindung von Gewalt und Feindschaft“ (ebd. 152).
2022 beruht vieles auf der Abschaffung solcher Räume der Begegnung, der unklaren Zugehörigkeit, der Kreativität für den Frieden. Es sieht sehr danach aus, dass wir früher oder später solche Räume brauchen, um Frieden schaffen zu können.
Schon wenige Tage nach der Invasion Russlands in die Ukraine wurden von Staaten des Westens Boykottmaßnahmen beschlossen. Unter dem Aspekt der Zeitenwende geht der Boykott zeitlich weiter zurück als zur ersten Phase des Kalten Krieges. Er erinnert an die Statuten des Völkerbunds, die im Januar 1920 in Kraft getreten sind. In Artikel 16 heißt es:
„Schreitet ein Bundesmitglied entgegen den in den Artikeln 12, 13 oder 15 übernommenen Verpflichtungen zum Kriege, so wird es ohne weiteres so angesehen, als hätte es eine Kriegshandlung gegen alle anderen Bundesmitglieder begangen. Diese verpflichten sich, unverzüglich alle Handels- und Finanzbeziehungen zu ihm abzubrechen, ihren Staatsangehörigen jeden Verkehr mit den Staatsangehörigen des vertragsbrüchigen Staates zu untersagen und alle finanziellen, Handels- oder persönlichen Verbindungen zwischen den Staatsangehörigen dieses Staates und jedes anderen Staates, gleichviel ob Bundesmitglied oder nicht, abzuschneiden.“ (http://www.versailler-vertrag.de/vv1.htm)
Der Glaube an die große Wirksamkeit von Boykotten geht auf die spezifischen Erfahrungen der Blockade im ersten Weltkrieg zurück. Die Kapitulation Deutschlands und seiner Verbündeten war zweifellos durch die Blockade mitbedingt. Es war der amerikanische Präsident Woodrow Wilson, der Boykotte als das wirkungsvollere und im Vergleich zum Krieg zivilisiertere Mittel ansah, um andere Staaten zum Nachgeben zu zwingen. Er beschrieb Sanktionen als etwas, was schrecklicher ist als Krieg – „something more tremendous than war“ (zit. in: Mulder 2022, 1). Die Bedrohung beschrieb Wilson näher als „an absolute isolation … that brings a nation to its senses just as suffocation removes from the individual all inclinations to fight ... Apply this economic, peaceful, silent, deadly remedy and there will be no need for force. It is a terrible remedy. It does not cost a life outside of the nation boycotted, but it brings a pressure upon that nation which, in my judgement, no modern nation could resist.“ (ebd. 1–2) Als Erfolgsbeispiel konnte Griechenland dienen. 1916/17 hatten Frankreich und England innerhalb weniger Monate durch eine gezielte Teilblockade Griechenland dazu gezwungen, einen Bürgerkrieg zu beenden, seine Neutralität aufzugeben und an ihrer Seite in den Krieg einzutreten sowie die Regierung zum Rücktritt bewegt. Tödlich war die Blockade insofern, als eine Hungersnot in den blockierten Landesteilen, vor allem auf dem Peleponnes, ausbrach; in Athen verdoppelten sich die Sterblichkeitszahlen (vgl. ebd. 48–59).
Bei Russland greift man nun auf dieses Mittel zurück. Unterschiedliche Ziele des Russland-Boykotts wurden angegeben: (1) Erst hieß es sie sollten Russland in den Staatsbankrott treiben und (2) dem Krieg damit die materiellen Ressourcen entziehen. Dann hoffte man durch die Boykotte, (3) die Opposition in Russland zu stärken. Schließlich stand im Raum, dass man (4) sich nicht mitschuldig machen möchte an der Finanzierung des Krieges und dass man (5) Russ_innen, die am Krieg mitschuldig seien, insbesondere Politiker_innen und Oligarch_innen, bestrafen wolle.
Inzwischen sieht man, dass keiner dieser Effekte bisher eingetreten ist. Die Ankündigung des Ölembargos führte sogar dazu, dass der Ölpreis so sehr anstieg, dass Russlands Kriegskasse besser gefüllt wurde als es wahrscheinlich durch irgendeine von Russland ausgehende Maßnahme möglich gewesen wäre. Umgekehrt besteht die Erwartung, dass Volkswirtschaften des Westens durch die verteuerten Energiepreise im Laufe des Winters in große Schwierigkeiten gelangen.
Die aktuellen Boykotte verfehlen damit bislang alle ihre Ziele. Man hätte dies wissen können. Es gibt wissenschaftliche Forschungen zu Boykotten.
Boykotte sind heute wieder aus zwei Gründen beliebt. Zum einen können, wie bereits gesagt, staatliche Wirtschaftsboykotte Druck auf andere Staaten ausüben, ohne dass Kriegshandlungen durchgeführt werden. Zum anderen erinnern Boykotte an die Geschichte von Bürgerrechtsbewegungen. Sie sind deshalb auch für soziale Aktivist_innen attraktiv. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass staatliche Boykotte fast immer die Armen in dem boykottierten Land treffen. „In World War I, 300,000-400,000 people died of blockade-induced starvation and illness in Central Europe, with an additional 500,000 deaths in the Ottoman provinces of the Middle-East affected by the Anglo-French blockade.“ (ebd. 5, mit Quellenangaben). Damals standen feministische Aktivist_innen gegen die Boykotts, weil letztere die Unterschiede zwischen Kombattanten und Nicht-Kombattanten verwischten und weil Frauen und Kinder durch Hunger besonders geschädigt wurden.
„The experience of material isolation left its mark on society for decades afterwards, as the effects of poor health, hunger, and malnutrition were transmitted to unborn generations. Weakened mothers gave birth to underdeveloped and stunted children. The economic weapon thereby cast a long-lasting socio-economic and biological shadow over targeted societies, not unlike radioactive fallout. Feminist politicians and scholars in particular recognized this during the Great War itself, and many pursued an energetic campaign against the economic weapon targeting of civilians. The women’s movement played an active role in the international history of sanctions, largely opposing and moderating their force – although also sometimes supporting them as preferable to war“ (ebd. 4–5).
In neuerer Zeit hat der Boykott gegen den Irak zwischen 1990 und 2000 25 Millionen Menschen in die Unterernährung gebracht.( vgl. Nüsse 2000 ).
Symbolische Boykotte wie die der Olympischen Spiele in Montreal, Moskau, Los Angeles und Sotchi haben nur den Fans und den Athlet_innen wesentlich geschadet. Kriege haben sie nicht aufgehalten.
Bei den aktuellen, ethische Aspekte berücksichtigenden gezielten Boykotten des Westens und bei den von Russland ausgeübten Blockaden und Boykotten wäre zu fragen, ob sie nicht auch diese ethisch problematischen Nebeneffekte in den boykottierten und auch in anderen Ländern haben.
Neben der ethischen Frage, die möglicherweise im kommenden Winter an Bedeutung gewinnt, stellt sich im konkreten Fall der Boykotte des Westens gegen Russland eine noch viel schwerwiegendere Frage. Ein Ergebnis der vergleichenden Erforschung von Boykotten ist, dass sie nur unter ganz bestimmten Bedingungen eine feindliche Regierung zu schwächen vermögen. Boykotte wirken nicht, wenn zu wenig wirtschaftlicher Druck aufgebaut werden kann, etwa weil sich zu wenige Staaten an dem Boykott beteiligen. Die Boykotte arabischer Staaten gegen Israel konnten zum Beispiel wenig ausrichten, weil der Handel Israels sich im Wesentlichen mit anderen Ländern vollzieht. Das eigentlich Schockierende aber ist: Autoritäre Regime, die ohnehin schon am Rande der internationalen Gemeinschaft stehen, werden durch Boykotte stabilisiert und keineswegs zum Wanken gebracht. Die Boykotte gegen Kuba, China, den Iran, den Irak, Venezuela und Nordkorea haben in keinem Fall zu einem Regimewechsel geführt. Saddam Hussein etwas aß 2000 „fester im Sattel denn je“ (ebd.). Myanmar und das Apartheidsystem Südafrika konnten zu demokratischen Entwicklungen gebracht werden. In Myanmar wurden 2015 demokratische Wahlen durchgeführt. Das Militär, das von 1962 bis 2015 das Land beherrscht hatte, hat die Kontrolle des Landes aber nie wirklich aus der Hand gegeben und 2021 durch einen erneuten Militärputsch die Macht wieder übernommen. Bleibt nur Südafrika als eine Ausnahme. In Südafrika gab es Ende der 1980er Jahre die ganz besondere Situation, dass sich fast alle Staaten am Boykott beteiligten und dass es in der Gruppe der weißen Südafrikaner_innen Raum für Opposition gegen Apartheid und Wahlen gab. Viele weiße Südafrikaner_innen hatten Beziehungen in Länder, die sich am Boykott beteiligten und wollten von ihnen nicht als unmoralisch angesehen werden. Wie groß genau die Bedeutung der Boykotte für das Ende der Apartheid war, bleibt freilich auch hier fraglich. Selbst das kleine Land Katar konnte durch einen von Saudi-Arabien initiierten Boykott nicht zu wesentlichen Veränderungen bewegt werden. Der 2017 begonnene Boykott wurde 2021 ergebnislos abgebrochen.
Das führt mich zu dem Fazit, dass Boykotte in fast allen Fällen wirkungslos, wenn nicht kontraproduktiv sind. Nur kleine, auf Zustimmung ausgerichtete Staaten können durch allgemeine Boykotte zu Veränderungen bewegt werden. In einem autoritären Regime wie in Russland werden Boykotte kaum die Regierung unter Druck setzen können. Auch die Bevölkerung wendet sich nicht gegen die russische Regierung, wie man bei Regionalwahlen 2022 gesehen hat.
Die einzig sinnvolle Form eines Boykotts bezieht sich auf Technologie und Materialien, die für die Kriegsführung unverzichtbar sind. Solche Boykotte schädigen immer die Gegner in einem Krieg. Die Lieferung von Waffentechnologie in einem Krieg zu stoppen, ist die einzige sinnvolle und erfolgreiche Form eines Boykotts, die man gegen Russland anwenden sollte. Statt einen umfassenden, isolierenden Boykott letztlich weniger Staaten durchzuführen, hätte der Westen wahrscheinlich besser daran getan, einen von zahlreichen Staaten getragenen kriegsbezogenen Boykott durchzuführen. Für alle anderen Handelsbeziehungen aber gilt: Wenn es keine Boykotte gäbe, dann wären die Vorteile sehr groß. Die aktuelle, weltweite Wirtschaftskrise wäre schwächer und es gäbe Begegnungsmöglichkeiten, die den so dringend nötigen Raum für Frieden schaffen können.
Die Rede von der Zeitenwende im Februar 2022 muss letztlich auch relativiert werden. Es gibt andere Zeitenwenden, die wichtiger für uns sind. Der 6. August 1945, der Atombombenabwurf von Hiroshima, ist eine solche Zeitenwende. Hier teilt sich die Geschichte wirklich: Seither muss die Menschheit mit der Drohung der Selbstzerstörung leben und noch viel mehr als vorher alle Kräfte sammeln um Frieden und Versöhnung zu suchen.
Der 9.November 1989 war eine andere, viel wichtigere Zeitenwende als 2022. Vor allem brachte 1989 inhaltlich Innovationen, was man in der geistigen Leere der rückwärtsgewandten Zeitenwende von 2022 vergebens sucht. Der Fall der Berliner Mauer ist das Symbol für der Erfolg einer nie dagewesenen Politik, deren Bedeutung wir alle noch nicht richtig verstanden haben. Niemals vorher ist es vorgekommen, dass viele Staatsformen geändert, Diktatoren gestürzt, Ländergrenzen verändert, Staaten neu geschaffen wurden, ohne dass jahrelange Kriege mit Millionen von Toten stattgefunden haben. Michail Gorbatschow und die Opposition in so vielen Ländern Ost- und Mitteleuropas waren die wesentlichen Akteure dieser großen und großartigen Wende. Es war eine Wende zugunsten der Menschen. Glasnost, Perestroika, die Vision eines gemeinsamen Hauses Europa unter Einschluss eines starken Russlands – das war verantwortliche Politik auf der Höhe der Zeit made in Russia. Vorbereitet wurde diese Wende durch einen jahrzehntelangen unterschwelligen Versöhnungsprozess, der als Gegenströmung im Kalten Krieg implementiert wurde und der seine großen Augenblicke in Ereignissen hatte wie der Rede Kennedys vor der American University 1963, wie dem Kniefall Willy Brandts in Warschau im Dezember 1970 und in der Unterzeichnung der KSZE Schlussakte im August 1975 in Helsinki. Wären damals, in Mitten des Kalten Krieges nicht Vertrauen und Kooperation aufgebaut worden, wäre es nicht zum Fall der Mauer gekommen. An dieser Zeitenwende führt kein Weg vorbei. Statt die Zeitenwende von 2022 zum Argument für noch mehr Aufrüstung der Bundeswehr und noch mehr Sanktionen zu machen, ist es wichtig, den Weg zu einer Wiederaufnahme der Versöhnungspolitik mit Russland zu finden. Da dies aus Gründen der ethischen Verantwortung, des Völkerrechts und der eigenen Sicherheit mit der fortgesetzten Unterstützung für die Ukraine und ihre territoriale Integrität geschehen muss, ist die Aufgabe nicht leicht. Paradox erscheinende Kombinationen wie Gespräche mit Putin und Waffenlieferungen an die Ukraine sind kein Zeichen der Schwäche, sondern des Realismus. Alle Maßnahmen, auch die übereilt beschlossene Aufrüstung der Bundeswehr und die Boykottmaßnahmen gegen Russland sollten auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden.
Durch Hochrüstung hat man nicht unbedingt mehr Frieden, Sicherheit oder Erfolgschancen, um einen Krieg zu gewinnen. In den letzten 50 Jahren haben die hochtechnologisch gerüsteten Staaten USA und die Sowjetunion/Russland zahlreiche schmachvolle Abzüge aus Kambodscha, Vietnam, Somalia, Afghanistan, dem Irak und anderen Ländern erleben müssen. Alle diese Maßnahmen müssen besser bedacht werden. Das wäre ein Zeichen professioneller Politik.
Als Christ_innen denken wir bei der Rede von Zeitenwende natürlich an die größte aller dieser Zeitenwenden. Friedrich Gogarten hat 1965 in dem Buch „Jesus Christus Wende der Welt“ Christus als die große Wende der Welt beschrieben, die alles verändert. Diese große Wende müssen wir auch auf die kleinen Wenden unserer Lebenszeit 2022, 1989 oder 1945 beziehen. Bedenkt man die Charakteristik der bundesdeutschen Wenderhetorik, der prekären Machtlage und der Wirkungslosigkeit, ist es wohl besser statt von Wende bei Christus von einer gewaltfreien Revolution zu sprechen, so wie es Hans-Dieter Hüsch mit seiner Rede von der Dezemberrevolution Jesu Christi tat. Diese Revolution brachte etwas vollständig Neues, nämlich dass Gott nach 2. Kor 5,19 die Welt mit sich versöhnt hat. Wenn Gott nicht weniger als die Welt bereits mit sich versöhnt hat, dann gibt es keine absoluten Feinde mehr. Auf dieser Grundlage kann man sich zwar gegen Feinde verteidigen und gegen sie Krieg führen, man ist aber auch bereit, mit ihnen den Weg der Versöhnung, der Wahrheit, der Gerechtigkeit und des Friedens zu gehen, sobald dies möglich ist. Beginnen muss dies in der Mitte des bewaffneten Konflikts. Denn Frieden schließt man nicht mit Freund_innen und sympathischen Menschen, sondern mit Feind_innen und mit Menschen, die man natürlich als böse und gefährlich wahrnimmt. Ein „wir reden nicht mit Terrorist_innen, Diktator_innen oder Kriegsverbrecher_innen“ hilft keinen Zentimeter weiter.
Beer, Andrea. 2022. „‚Wir dokumentieren Schmerz‘“, zuletzt abgerufen: 25.10.2022 https://www.tagesschau.de/ausland/europa/ukraine-friedensnobelpreis-101.html.
Falcke, Heino. 2014. „Die Feinde lieben“. In: Ders. Einmischungen. Aufsätze, Reden und Vorträge aus 40 Jahren. Hg. von Veronika Albrecht-Birkner und Heinz-Günther Stobbe. Leipzig: EVA.
Gehrig, Rudolf und Mares, Courtney. 2022. „Nach Aufschrei in der Ukraine: Vatikan ändert kurzfristig Kreuzweg zum Karfreitag: Papst Franziskus betet ‚Familien-Kreuzweg‘ am Kolosseum“, zuletzt abgerufen: 25.10.2022 https://de.catholicnewsagency.com/story/karfreitag-papst-franziskus-betet-familien-kreuzweg-am-kolosseum-10590.
Nicholas Mulder, The Economic Weapon. The Rise of Sanctions as a Tool of Modern War, New Haven/London: Yale University Press 2022. 1
Nüsse, Andrea. 2000. „Politik: 10 Jahre Sanktionen gegen Irak: Kollateralschaden: Der Boykott erreicht sein Ziel längst nicht mehr, sondern trifft unschuldige Bürger (Kommentar)“, zuletzt abgerufen: 25.10.2022 https://www.tagesspiegel.de/politik/10-jahre-sanktionen-gegen-irak-kollateralschaden-der-boykott-erreicht-sein-ziel-langst-nicht-mehr-sondern-trifft-unschuldige-burger-kommentar-699205.html.
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