Skip to main content
SearchLoginLogin or Signup

Neuland betreten und nicht ausrutschen. Eine heikle Grundaufgabe der Theologie.

Das Neue Zeitalter, den Neuen Bund, das Neue Testament, den neuen Menschen. Das sich entwickelnde Christentum verkündigte mithin das Neue, stellte aber zugleich selbst ein Novum dar.

Published onNov 09, 2017
Neuland betreten und nicht ausrutschen. Eine heikle Grundaufgabe der Theologie.
·

Alt und Neu denken – eine heikle Grundaufgabe der Theologie

Das Neue gehört in der Theologie zum Ältesten. Schon früh musste die sich bildende neue Religion des Christentums sich damit auseinandersetzen; schließlich gründete sie sich auf die Erscheinung des Messias in der Welt und damit auf das neue Zeitalter, den neuen Bund, das Neue Testament und den neuen Menschen, der durch Anteilhabe an diesen Neu-Erscheinungen selbst neu geschaffen werden konnte. Das sich entwickelnde Christentum verkündigte mithin das Neue, stellte aber zugleich selbst ein Novum in der religiösen Landschaft der Antike dar, der gegenüber es sich erklären und verhalten musste – insbesondere gegenüber ihrer Abstammungsreligion, dem Judentum, aber auch gegenüber der hellenistischen Umwelt.

So stellt sich für das Christentum bereits zu seinem Beginn die umfassende Aufgabe vom Neuen zu reden. In den verschiedensten Feldern arbeitet sich die Theologie im Lauf ihrer Geschichte an dieser Aufgabe ab. In ihren Bewältigungsversuchen gerät sie dabei immer wieder in Schieflagen beim Ausbalancieren der dipolaren Figur alt/neu. Die Theologie muss diese Denkfigur fast zwangsläufig benutzen, gleitet aber – wie ich im Folgenden zeigen werde – auch immer wieder auf der einen oder anderen Seite dabei ab.

Ich schreite dabei die Aufgaben ab, die die Theologie im Umgang mit dem Neuen bewältigen musste: Die Grunderzählung musste gegenüber der Umwelt begründet werden, besonders, weil das Neue zwar verkündigt wurde, aber keineswegs allen Menschen unmittelbar evident erschien (1). Dieses Neue, das mit Jesus Christus in die Welt gekommen sein sollte, musste im gleichen Zug in der Geschichte aufgezeigt werden – oder aber zu etwas Überweltlichem erklärt (2). Mit dem Fortschreiten der Zeit stellten sich dann neue Fragen: Wie kann das Neue neu bleiben? (3) Wie es bewahren und zugleich als neu erfahrbar werden lassen – für Menschen in neuen Kontexten?

All das sind Aufgaben, die nacheinander auf die Theologie zukamen und insofern jeweils einer bestimmten Generation angehören, die sie aber später auch wieder einholten. Es sind prinzipielle, systematische Aufgaben, die in verschiedenen Kontexten mit unterschiedlichen Tendenzen gelöst wurden. Mein Anliegen ist es mit diesem Beitrag nicht, jeweils das Problem, alle Lösungsversuche und eine begründete Präferenz meinerseits darzustellen. Dazu sind die Themenfelder, die sich mit der Verhältnisbestimmung von alt und neu auseinandersetzen müssen, zu viel und zu groß. Mein Ziel ist vielmehr, die systematischen Aufgaben zu erheben, die sich für die christliche Theologie aufgrund ihres Inhaltes, ihrer Struktur und ihrer religionssoziologischen Situation ergeben haben, ja sich notwendigerweise ergeben mussten. Ich werde daher im Folgenden die Aufgaben erklären, dann die Pole aufzeigen, zwischen denen sich die Antwortversuche bewegen, um schließlich die Gefahren verdeutlichen zu können, die auf dem eisglatten Grund des Neuen in theologischer Hinsicht lauern. Um die fundamentale Verankerung des Themas alt vs. neu in der Theologie aufzuzeigen, werde ich dabei hin und wieder große Bögen der Geschichte theologischen Arbeitens spannen. Dadurch gewinnt das Folgende weithin thetischen Charakter. Mein Ziel ist allerdings nicht die Tiefenanalyse bestimmter Theologieansätze in ihrer ganzen Differenziertheit, sondern der Hinweis auf die fundamentale Verankerung des Themas alt vs. neu in der gesamten Theologie. Ich greife dazu jeweils entscheidende Punkte heraus, die sich auf andere Teile der Theologie auswirken, und versuche, im Verlauf immer wieder Strukturparallelen im Umgang mit alt und neu aufzuzeigen.

1)   Die erste Aufgabe: Sich als neu profilieren (Das Neue in seinem Entstehungskontext)

Die primäre Aufgabe, die sich aus der religionssoziologischen Lage des Christentums in der antiken Welt ergibt, betrifft das Verhältnis zu Judentum und Hellenismus. Der Profilierungsdruck war beträchtlich. Denn der antiken Philosophie galt das Alte als das Bewährte-Wahre; das Neue aber als suspekt oder nur scheinbar neu, denn entweder war es sowieso schon in alten Einsichten enthalten oder aber es musste so stark überzeugen, dass es dem Kanon des ehrwürdig alten Wahrheitsbestandes hinzugefügt wurde.1 Überzeugt von der ewigen Wiederkehr des Gleichen2 versagte sich die antike Philosophie weitgehend der Möglichkeit des echten Neuen. Auf das Christentum kam also die Aufgabe zu, sich aus den Ursprüngen zu legitimieren, sich aber auch gleichzeitig als neue Religion zu behaupten.3

Angesichts dieser Aufgabe lag es nahe, das eigene Novum gegenüber dem vorigen Spektrum an religiösen Autoritäten, frömmigkeitsgeschichtlichen Strömungen und rituellen Praktiken abzugrenzen.4 Als klar war, dass sich das Judentum von Jesus als Messias nicht in Gänze würde überzeugen lassen, wurde dieser Weg umso mehr eingeschlagen.5 Das lässt sich vor allem am Johannesevangelium verfolgen.6 Als die Trennung von der Synagoge feststand, begann die christliche Literatur das Narrativ der Ablösung Israels durch die Kirche zu erzählen. Die alttestamentlichen Gesetze seien „vorläufig und durch den ‚neuen Bund‘ außer Kraft gesetzt“.7

Damit geriet die Theologie auf den Abweg des theologischen Antijudaismus.8 Waren dessen erste literarische Niederschläge noch mit konkret erlebten Auseinandersetzungen gekoppelt, wurden das Alte Testament und das Judentum im Lauf der Zeit zu einer pauschalen Abgrenzungsfolie, die je nach Interesse gefüllt werden konnte. Das lässt sich daran verfolgen, wie Ende des 19. und bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinweg die neutestamentliche Wissenschaft Jesus ins Verhältnis zum zeitgenössischen Judentum setzte.9 Ob es am Profilierungsdruck gegenüber der in Sachen Christentum und Religion skeptischer gewordenen Moderne lag? Der Kontrast strahlte jedenfalls umso heller, je mehr Jesus als Befreier vom gesetzlichen „Spätjudentum“10 gezeichnet wurde: Das Judentum hatte sich so in Verhaltensvorschriften und Buchstabengeltung11 verirrt, dass es reif war, von Jesus heftig kritisiert und vom Christentum abgelöst zu werden. Die Antithesen der Bergpredigt („Ich aber sage euch…“) wurden als solche aufgefasst12 und galten als Inbegriff der vollmächtigen Überbietung13 des jüdischen Gesetzes durch Jesu Verkündigung. Sollte herausgestellt werden, welche Erlösung von Jesu Erscheinen ausgegangen war, musste das Alte umso mehr verdunkelt werden. Um Jesu Einzigartigkeit erheben zu können, mussten die Differenzen zum Judentum seiner Zeit herausgearbeitet werden. Dafür steht die sog. Vierte Phase der Leben-Jesu-Forschung nach Theißen:14 Mit neuer Hoffnung erfüllt, doch noch etwas über den historischen Jesus herausfinden zu können,15 erhob man das sog. Differenzkriterium zum Mittel der Wahl.16 Alles, was sich nicht auch im Judentum seiner Zeit finden ließ, musste von Jesus selbst stammen – woher auch sonst? Was dabei herauskam, machte in der Summe das Neue an Jesus und seiner Lehre aus. Denn: „Die Gottesherrschaft kommt so zur Sprache, dass sie ihr Neues gegen das Alte setzt.“17

Wie mit den Antithesen schon angesprochen, betrifft die Gegenüberstellung von Jesus und dem Judentum seiner Zeit das Verhältnis von Altem und Neuem Testament sofort mit. Wie das Judentum zur Religion der Gesetzlichkeit, verkam das Alte Testament in seiner Gänze zum „Gesetz“ in theologischem Sinn – so, wie die christlichen Forscher den Zusammenhang darstellten. Das „Evangelium“ aber deckte sich dann mit dem Neuen Testament, und zwar nicht im Sinne des Neuen Bundes oder im inhaltlichen Sinn als Redemodus des Zuspruchs, der sich auch in alttestamentlichen Texten finden könnte, sondern als Textbestand eben jener 27 Schriften, die den zweiten Teil der christlichen Bibel ausmachen. So fasst Loader zusammen: „Unter Einfluss des paulinischen Kontrastes zwischen Werkgerechtigkeit und Gnade“ wurde „pauschal an das AT als Gesetz und das NT als Evangelium gedacht. Die Konsequenz dieses Schemas ist die These, dass das AT ein ‚Scheitern‘ belege (R. Bultmann).“18 Das Judentum ist an der Erfüllung des Gesetzes gescheitert – daraus rettet Jesus mit seinem Evangelium als „neuem Wort“.19 So ließe sich die allgemeine Denkfigur jener Zeit auf den Punkt bringen. Damit wurde die Spannung von Altem und Neuem, die der christlichen Bibel von Anfang inhärent und sehr schnell zum hermeneutischen Grundproblem geworden war,20 höchst einseitig aufgelöst.

Diese Verdunklung des Alten zugunsten des Neuen entfaltete eine enorme Wirkungsgeschichte. Sie findet sich strukturparallel auch in anderen Arbeitsbereichen der Theologie: So, wie der alten Religion oder dem Alten Testament das Scheitern am Gesetz zugeschrieben wurde, so zeichnete die systematische Theologie den alten Menschen nur in dunkelsten Farbtönen. Der natürliche Mensch, der noch nichts von Jesus Christus gehört hat, kam vor allem in der lutherischen Theologie ausschließlich als Sünder in den Blick. Der Mensch ist von Natur aus eine gescheiterte und in Sünde verstrickte Gestalt, die des Evangeliums bedarf.21 Dass dies so sei, schärfte über lange Perioden des Luthertums ein Predigtstil ein, der zunächst Niedergeschlagenheit oder Angst bei den Hörenden erzeugt, um dann Jesus gewissermaßen aus der Kiste zu zaubern (im homiletischen Jargon als „christologischer Schwanz“ oder „Jesus-Kurve“ bezeichnet). Die evangelische Theologie verbaute sich mit der Konstruktion von alter Sünde und neuer Erlösung über lange Zeit den Zugang zur Geschöpflichkeit des Menschen in seiner eigenen theologischen Würde.22

Wie verführerisch die Strategie ist, das Neue zum Leuchten zu bringen, indem man das Alte als dunkelste Abgrenzungsfolie konstruiert, zeigt sich daran, dass selbst bewusst emanzipative Ansätze wie die feministische Theologie in diese Falle geraten.23 Den Menschen durch die Predigt kleinhalten wollen sie gerade nicht. Und dennoch konstruieren sie eine Negativfolie24: Jesus befreit in dieser Variante nicht in erster Linie vom Joch des Gesetzes, sondern von der Unterdrückung der Frau in der damaligen Gesellschaftsstruktur. Wiederum ist er der Erste, nämlich „der erste neue Mann“25, der auf Frauen offen zugeht und sie in seine Gemeinschaft holt.26

Auch der tiefenpsychologische Zugang zum Neuen Testament ist alles andere als davor gefeit, das Alte zugunsten des Neuen zu verdunkeln. In der Textdeutung verläuft der Weg „von der Angst zur Befreiung von Angst, von innerer Unfreiheit und seelischer Erkrankung zu einer gesunden, starken Persönlichkeit, die auch ihre Schattenseiten zu integrieren vermag“.27 Auf diesem therapeutischen Weg ist die negative Besetzung des Alten und die positive Besetzung des Neuen vorgegeben.28 Das Argument, das Alte Testament sei „unterchristlich“ und von Jesus überholt, „taucht heute besonders pointiert in bestimmten psychologischen Bibelauslegungen (im Anschluss an Carl Gustav Jung [1875-1961] etwa bei Hannah [sic] Wolff) auf“, wie G. Schneider-Flume beobachtet.29 Die Aktivierung „antijüdische[r] Klischees“ beklagt auch Oeming: „[A]ngsterregende Vorstellungen von einem gewalttätigen, vernichtenden Gott werden einseitig dem Alten Testament unterstellt, Jesus zur Kontrastfigur stilisiert, die von diesem Erbe befreit habe“.30

Durch die Tendenz zum theologischen Antijudaismus erweist sich der dargestellte Zusammenhang als ein Boden, auf dem sich besonders leicht ausrutschen lässt. Die Strategie, das Neue durch größtmöglichen Kontrast zum Alten anzupreisen, ist problematisch, weil sie Gefahr läuft, das ‚Alte‘ undifferenziert darzustellen (so geschehen mit dem Judentum zu Jesu Zeit) wie auch das Verhältnis zwischen Neuem und Altem zu stark zu vereinfachen (so geschehen mit dem Verhältnis Jesu zum Judentum). Erst den Einsichten der sogenannten Dritten Frage, der third quest, nach dem historischen Jesus verdankt die Theologie, dass die Einseitigkeiten dieser Konstruktion aufgedeckt wurden, die auf der Denkfigur alt vs. neu basiert.31 Inzwischen hat sich diese Einsicht in der neutestamentlichen Wissenschaft weithin etabliert. Auch in die gängigen, selbst in die komprimiertesten Lehrbücher hat sie Eingang gefunden: „Das herkömmliche Bild, wonach Jesus neben dem Judentum, wenn nicht gar diesem in unüberbrückbarem Antagonismus gegenüberstand, bedarf dringend einer Korrektur. Jesus gehört vielmehr mitten hinein in das Judentum seiner Zeit; sein Wirken war auf das jüdische Volk bezogen, und seine Botschaft hatte die jüdische Gedankenwelt seiner Zeit zur Voraussetzung.“32 Bei Paulus allerdings schlagen die Wellen der Diskussion noch hoch, was sein Verhältnis zum Judentum betrifft.33

2)   Die zweite Aufgabe: Das Neue verkündigen im faktischen Alten (Das Neue in der Geschichte)

Mit dem ersten Problem hängt ein weiteres zusammen: Dem Christentum stellte sich die Aufgabe, das Neue in einer Welt zu verkündigen, in der alles beim Alten geblieben zu sein schien.

Darin bestand zu Beginn der Kirchengeschichte der gewichtigste Einwand des Judentums: Wenn der Messias in Jesus von Nazareth erschienen wäre, hätte entscheidend Neues in der Welt passieren müssen. Der endzeitliche Schalom hätte anbrechen müssen mit allen Heilsverheißungen, die in den Schriften des Alten Testaments transportiert werden. Hatte anfangs noch die Hoffnung auf eine baldige Wiederkehr Jesu bestanden – noch zu Lebzeiten der ersten Generation –, wurde alsbald klar, dass diese Parusie sich „verzögerte“, wie spätere Theologen es nannten. Mit schwindender Naherwartung konnte die Aufgabe nicht mehr abgewiesen werden, das verkündigte Neue mit dem (so erlebten) faktischen Alten ins Verhältnis zu setzen. Das Problem ließ sich nicht länger vertagen.

Auf dem eisglatten Grund, der sich an dieser Stelle zwischen Altem und Neuem auftut, ist die Theologie im Lauf ihrer Geschichte in verschiedene Richtungen ausgerutscht. Ließ sich im vorigen Abschnitt mit dem theologischen Antijudaismus eine bestimmte Richtung herausarbeiten, in die die Theologie häufig abglitt, tun sich hier mehrere Wege und Abwege auf.

Doch zunächst zu den prinzipiellen Möglichkeiten: Wer das Neue im faktischen Alten verkündigen will, der kann zum einen am Gegensatz zwischen Faktizität und Verkündigung ansetzen. Dann gleitet er oder sie z.B. in Realitätsverleugnung ab. Das Alte steht nur scheinbar im Kontrast zum Neuen. Es sieht für uns nur so aus. Eigentlich entspricht es dem Neuen sehr gut, aber warum und wie, das weiß nur Gott. Alle Antwortversuche auf die Theodizee-Frage, die mit einer Relativierung des Bösen
arbeiten,34 gehen diesen Weg. Dabei handelt es sich aber insofern um einen Abweg, als die Erfahrung der Abgründigkeit der Welt nicht ernstgenommen wird. Theologie erhebt sich dann über das Leben und droht das Neue, von dem sie reden soll, in ein Reich überweltlich-idealer Ideen einzupferchen und unverbunden mit dem Alten zu lassen. Frömmigkeitsgeschichtlich spiegelt sich dieser Abweg darin wider, dass die Klage als Gebetspraxis über Jahrhunderte im Christentum unterdrückt wurde.35 Sie galt als illegitim, weil durch das Klagen der gute Heilsplan Gottes infrage gestellt wurde. Eine Expression des faktischen Alten mit all seinen Abgründen von Leid, Schuld und Unrecht wurde von der vorherrschenden Frömmigkeitskultur zugunsten eines geglaubten und implementierten Idealbildes der Welt suspendiert. Erst die Theologie nach Auschwitz machte die Abwegigkeit dieser Richtung in aller Deutlichkeit sichtbar.36

Der Gegensatz zwischen Faktizität und Verkündigung kann freilich auch durch eine Relativierung der Verkündigung gemildert werden. Wenn man diesen Weg beschreitet, schlägt man sich also auf die Seite der Faktizität. Hierhin gehört nun auch der Vorschlag Albert Schweitzers. Zu dem Schluss gekommen, dass Jesu Hoffnung auf eine baldige Parusie und Zeitenwende nicht eingetroffen war, gab er die Verkündigung des Neuen als falsifiziert auf. Faktisch hatte sich nichts geändert, vor oder nach Jesu von Nazareth. Gibt man allerdings wie Schweitzer die Verkündigung des Neuen aus Rücksicht auf das Faktische auf, so gibt man auch das Christentum in seinem Kern auf. Eine Hoffnung für die Welt, eine Verheißung, eine Vision eines revolutionären Neuen, all diese Potentiale des jüdisch-christlichen Traditionskreises gehen verloren.

Unbenommen – Schweitzer ist für die Konsequenz zu bewundern, mit der er den Gegensatz gesehen und daraus auch biografische Konsequenzen gezogen hat: Er wurde Arzt und ging nach Afrika, um durch gutes Handeln die Welt zu verändern. Denn das, was sich tatsächlich ein klein wenig an der alten Welt durch das Auftreten Jesu verändert hätte, sei Jesu Geist und Jesu Ethik.37 Die Jünger hätten in seinem Geist gehandelt und so das weitergegeben, was tatsächlich unsterblich an ihm war. Mit anderen Worten: Schweitzer hat das Neue ethisiert. Das steht am Anfang eines Trends, der sich in weiten Teilen der Theologie des 20. Jahrhunderts nachverfolgen lässt38 – genauer gesagt: in der Eschatologie, die in besonderer Weise mit dem Problem des faktischen Alten umgehen musste und sich zudem als Leitdisziplin der Theologie im vergangenen Jahrhundert etablierte. Der Trend lässt sich angefangen bei Albrecht Ritschls ethischer Fassung des Reich-Gottes-Gedankens bis hin zu den ökologischen, befreiungstheologischen und friedensorientierten Bewegungen der 70er/80er Jahre verfolgen. „Jesus – der erste neue Mann“ lautet beispielsweise der programmatische Titel eines 1989 erschienenen Buchs. Der Autor, der paradoxerweise Franz Alt heißt, schreibt zu seiner Motivation: „Die Frage: ‚Warum wurde seit Jesus nicht alles neu?‘ treibt mich seit zehn Jahren um. Meine Antwort in diesem Buch: Den wirklichen Jesus haben wir noch nicht begriffen. Der Neuanfang mit einem neuen Jesus ist vielleicht unsere letzte Chance. […] Heute weiß ich: Jesus zeigt den Weg aus dem Atomzeitalter in ein neues Zeitalter, das ich das ökologische Zeitalter nenne.“39 Die Neuheitsbegeisterung nimmt man dem Autor sofort ab. Allerdings wird das theologische Problem dahin umgeleitet, dass Menschen das Neue eben nur noch nicht richtig begriffen und umgesetzt hätten. Damit läuft man Gefahr, den fundamentalen Graben zwischen dem Alten mit all seinen Abgründen von Elend und Leiden auf der einen und dem utopisch verheißenen Neuen auf der anderen Seite zu unterschätzen.40 Dieser Graben gehört aber zu den Grundspannungen, denen sich das Christentum und die Theologie aussetzen muss, und die auch durch höchste ethische Anstrengung des Menschen nie ganz harmonisiert werden können.

Die Erschöpfung durch das ethische Engagement in der Generation von Franz Alt blieb nicht lange aus. Das veränderte etwas die Tonlage. Statt eines großen Sprungs möchten einige inzwischen lieber Brücken über den Graben bauen. Nicht umsonst erfreut sich in der kirchlichen Praxis der Satz großer Beliebtheit: „Wenn viele kleine Menschen an vielen kleinen Orten viele kleine Schritte tun, dann können sie das Gesicht der Welt
verändern.“41 Diese Rhetorik der kleinen Schritte vom Alten ins Neue ist verständlich im Versuch, weder das faktische Alte zu verleugnen noch die Hoffnung auf das Neue aufzugeben. Allerdings birgt auch dieser Überbrückungsversuch Gefahren, eben weil er ein Überbrückungsversuch ist. Der Homiletiker Engemann42 hat deswegen – und nicht nur wegen Abnutzungseffekten – vor diesem Versuch gewarnt: Die kleinen Dinge werden zur Gotteserfahrung hochstilisiert, der „‚große Schritt‘ der Auferstehung Jesu”43 aber wird nicht ernstgenommen. Konfrontiert mit dem Neuen der Auferstehung am Ostermorgen, gingen die Jüngerinnen und Jünger zunächst tastende, suchende Schritte. Das zu überspringen, wirkt sich nach Engemann fatal auf Predigten aus. Was meiner Ansicht nach theologisch hier passiert, ist, dass das verkündigte Neue fraktioniert wird, um es stückchenweise in das faktische Alte einzuspeisen. Das allerdings im schlimmsten Fall um den Preis der Banalisierung. Denn wenn das verkündigte Neue nicht mehr im Gegensatz zum faktischen Alten gehalten wird, wird es eben profan.

Aber auch wenn die Brücke nicht über praktische Wege der Veränderung geschlagen wird: Die Aufgabe, das Neue im faktischen Alten zu verkündigen, bleibt. Diese Aufgabe drängte die Theologie immer wieder dazu, das Neue im Alten zu identifizieren und damit aus dem Status reiner Verkündigung bzw. Kontrafaktizität herauszuholen. Es geht um den Aufweis, wo das Neue „schon da“ ist oder gerade in erhöhter Intensität in das Alte einbricht, und zwar ganz unverhofft in der säkularen Welt. Wie leicht man hier ins Rutschen kommt, lässt sich an zahlreichen Fällen der Theologiegeschichte nachvollziehen. Immer wenn eine aktuelle politische Entwicklung oder ein Ereignis als Ausweis des Neuen herangezogen wurde, drohte sich die Theologie mit bestimmten politischen Programmen zu verbrüdern und in Mitläufertum abzudriften. Im politisch rechten Spektrum war das nicht erst mit den Deutschen Christen gegeben, sondern auch schon mit der Kriegsbegeisterung 1914. In diesem historischen Kontext schien die Sehnsucht nach Identifikation des Neuen in der Geschichte besonders dem Protestantismus eingeschrieben zu sein. Nach Friedrich-Wilhelm Graf war dort das Politische an die Stelle der altgläubigen, kirchlichen Institution getreten44.

Nach der Kritik an Klerikalismus und ritueller Selbstabsicherung waren die Protestanten auf der Suche nach „neuer Evidenz“ und deswegen „zeitgeistoffener“: „Ungleich stärker als katholische Theologen waren protestantische Intellektuelle bereit, reformatorische Überlieferung mit allen möglichen modernen Ideologien zu verbinden. In der neueren Nationalismusforschung ist gezeigt worden, daß vor allem die deutschen Nationalismen primär mit protestantischen Integrationsmustern konstruiert wurde45. Das heißt: Aus Kritik am Alten war ein Hunger nach einem orientierenden Neuen entstanden, was im Nationalismus identifiziert wurde. Im politisch linken Spektrum ist eine Identifikation des theologischen Neuen in der Geschichte selbstverständlich genauso möglich. Für die Theologie der Revolution treibt der Befreiungskampf der Unterdrückten die Menschheit zu jener „neuen Ordnung“(!), auf die das biblische Symbol „Reich Gottes“ weist – so nimmt es Arthur Rich 1984 wahr46. Das heißt, „daß die Revolution des Menschen mit der von Gott her letztlich in eins zusammenfallen muß.”47 Dass diese Identifikation nicht alle Akteurinnen und Akteure teilten, muss nicht eigens betont werden. Aber auch bei gemäßigteren Positionen in diesem Spektrum bleibt eine theologische Präferenz für das Neue in der Geschichte, was mit einer Abwehr des politischen Konservatismus zusammenfällt.48

Das heißt: Durch die Grundaufgabe unter Druck gesetzt, das Neue in einer faktisch unverändert scheinenden Welt zu verkündigen, glitt die Theologie auf verschiedene Wege ab, um dem Gegensatz von alt und neu, von Faktum und Kerygma, von Status quo und Möglichkeit auszuweichen oder ihn zu mildern: Realitätsverleugnung, Hoffnungsvergessenheit, Ethisierung des Neuen, Fraktionierung des Neuen oder unkritische Identifikation des Neuen in der Geschichte. In der Christologie hatte der Gegensatz an Schärfe gewonnen, bis hin zum theologischen Antijudaismus. Hier, in der Geschichtstheologie und Eschatologie, gab es auch den umgekehrten Fall, nämlich den Kontrast nicht auszuhalten oder zu relativiert.49 Während man in der Christologie den Gegensatz ungehindert schärfen konnte, also das Alte negativ und das Neue positiv besetzen, so war das in Bezug auf die eigene erlebte Zeit anscheinend schwieriger – vorausgesetzt, man wollte den Bezug zu ihr nicht verlieren.

Alle bisherigen Überlegungen sind auf die Eschatologie zugesteuert – die grundlegende Spannung zwischen schon angebrochenem und noch ausstehendem Reich Gottes steht hinter den Versuchen, mit alt und neu in der Geschichte umzugehen. Explizit wird der Gegensatz zwischen alt und neu im Topos der Neuschöpfung der Welt. Wie theologische Ansätze das faktische Alte – die Schöpfung und ihre Geschichte – letztlich einordnen, erweist sich spätestens hier.

Alle schon angesprochenen Versuche, den Gegensatz zwischen alt und neu zu überbrücken, bewegen sich in einem Modell der Transformation50: Die alte Schöpfung wird verändert und verwandelt. Am Ende dieses Prozesses steht die neue Schöpfung. Hier sind hohe Kontinuitäten zwischen alt und neu möglich: Einiges wird ins Neue hinübertransportiert, einiges wird verändert. Die schon genannten Ansätze wie z.B. die Ethisierung oder die Fraktionierung des Neuen leiden ja aber daran, dass sie den Kontrast zum Neuen zu stark einebnen. Dort kann das Neue nicht mehr in kritischer Gegenüberstellung zum Alten zur Geltung gebracht werden. Vielmehr geht es dabei nur noch um eine „Renovierung“ des im Prinzip gleichen Alten, nicht um das grundstürzend Neue, das „Novum.”51

Ein eschatologisches Gegenmodell dazu wäre die Substitution.52 An die Stelle des Alten tritt etwas komplett Neues. Alles, was vorher war, ist veraltet; es zählt zum Alten. Die dahinterliegende Überzeugung sieht die Welt als so verderbt an, dass nur etwas völlig Neues eine Zukunft haben kann. Dieser Gedanke liegt aller Apokalyptik zu Grunde: Endlich wird im Wortsinn ‚aufgedeckt‘, wie sehr die Welt im Argen liegt, und dann bricht der neue Äon an53. Das Neue steht also in völliger Diskontinuität. Ähnlich wie bei einer faktizistischen Haltung wird der Gegensatz zwischen faktischem Alten und verkündigtem Neuen deutlich wahrgenommen. Allerdings hält die Substitutionsvorstellung an der Hoffnung auf ein echtes Neues fest. Der Gegensatz zwischen alt und neu wird futurisiert: Das Novum-Artige des Neuen kommt erst, wenn das Alte ganz am Ende ist. Dieser Gedanke wird in Zeiten plausibel, in denen die Welt sich so grauenvoll zeigt, dass nur ein großer Bruch mit dem Alten sie retten kann. Das war die Situation, in der z.B. das apokalyptische Buch des Neuen Testaments schlechthin, die Offenbarung des Johannes, entstand. Das römische Weltreich begann, die Christen zum Kaiserkult zu zwingen und sich gottgleiche Verehrung anzumaßen.54 In dieser Situation verständlich, haftet die Negativwertung des Alten – der Schöpfung und der Geschichte – allerdings der Substitution als theologischem Denkmodell weiterhin an. Die Geschichte der alten Schöpfung kann nicht vom Neuen her differenziert wahrgenommen werden – ähnlich wie das bei den stark kontrastiven Fassungen des Jesus-Judentum-Verhältnisses der Fall ist. Wenn der Gegensatz zwischen alt und neu stark aufgeladen wird, verschwimmt alles, was unter alt subsumiert wird, zu einer pauschalen massa perditionis. Alt und neu fallen auseinander.

Eine andere Variante wäre die der Restitution55, also die Wiederherstellung. Ursprünglich war die Schöpfung nach Gen 1,1-2,4a ja „sehr gut“ – erst der sog. Sündenfall in Gen 3 brachte einen Schaden oder Bruch in die Welt hinein. Im Eschaton soll nun der ursprünglich heile, intakte Zustand der Welt (status integritatis) wiederhergestellt werden. Was Menschen in der Geschichte an Schädlichem angerichtet haben, wird nun geheilt, integriert oder durch Rückkehr zum Ursprung überwunden. Das Alte ist das Gute und das Neue bringt eigentlich das Alte wieder zur Geltung – damit trifft sich die Vorstellung mit der Antike (s.o.). Was das Neue in der Geschichte angeht, fällt es allerdings schnell der Bedeutungslosigkeit anheim, denkt man den Ansatz systematisch weiter. Was an Umbrüchen, Innovationen, Krisen, Kehrtwenden in der Geschichte auch aufgetreten sein mag, letztlich kehrt die Welt zurück in ihren heilen Ursprungszustand. Sicher, die Wunden, die Menschen in der Geschichte geschlagen haben, werden sichtbar und verlangen nach Heilung – insofern wird ernstgenommen, dass sich etwas verändert hat. Das sind aber nur negative Möglichkeiten des Neuen. Bewahren und wenig verändern, heißt die Aufgabe; das Ergebnis ist theologische Reform-, Revolutions- und Innovationsskepsis, wie es an der Ethik der Schöpfungsordnungen deutlich geworden ist.

Im Gegensatz zu allen Überbrückungsversuchen identifizieren beide zuletzt genannten Modelle – Substitution und Restitution – das Neue gar nicht in der Geschichte. Das hat den Vorteil, dass dem Irrweg einer vorschnellen Sanktifizierung geschichtlicher Erscheinungen ausgewichen werden kann. Allerdings ist bei einer bloßen Diastase zwischen faktischem Alten und ausstehendem Neuen fraglich, was das Christentum einer sich selbständig entwickelnden Welt noch zu sagen haben könnte. Wo immer sie sich hin entwickelt, spielt keine Rolle für das Neue, das letzten Endes an ihre Stelle treten wird. 56

In der Eschatologie deutet sich also die weitere Aufgabe an, das neueste Neue („De novissimis“) zum Alten ins Verhältnis zu setzen. Diese Verhältnisbestimmung wird notwendigerweise mit Wertungen verbunden sein. Die Zuschreibungen von alt und neu in der materialen Eschatologie sind voll davon, wie durch die Sortierung in alt und neu bestimmte Züge des Menschseins ab- oder aufgewertet werden: Gehört die geschlechtliche Existenz zur alten Schöpfung oder auch zur neuen? Gibt es fortbestehende Ehen im Eschaton? Wird der neue Mensch ein geschlechtsloser sein? Oder: Gehört eine angeborene Behinderung zur alten Schöpfung oder auch zur neuen? Gehört sie zur erhaltenen Identität eines Menschen oder zur überkommenen Alten?57 Gehört Zeitlichkeit in die alte Schöpfung – damit Musik, Spiel, Humor – oder gibt es auch Formen von Zeitlichkeit in der Ewigkeit?58 Mit diesen Fragen werden durchweg Identitätsdiskurse berührt; und zwar, weil es um Kontinuität des eigenen Selbst geht, die unweigerlich mit Identität verbunden ist.

Kontinuität und Diskontinuität – das ist der unsichere Boden, auf dem sich die Theologie mit der zweiten Grundaufgabe bewegt, die sich ihr seit der Parusieverzögerung stellt. 59 Das ist auf dem Feld der Geschichtstheologie nicht weniger heikel als auf dem Feld der Anthropologie.

3)   Die dritte Aufgabe: Ewige Wahrheiten erneuern (Das Neue in der Erkenntnis)

Die dritte Aufgabe ergab sich daraus, dass die Zeit fortschritt – und das Neue zu veralten drohte. So wie sich das junge Christentum in der zweiten Generation mit dem Parusieproblem beschäftigen musste, so nun auch mit dem Problem der Veraltung. Je mehr die Zeit die ursprüngliche Neuheitserfahrung und den gegenwärtigen Standort auseinanderzog, desto mehr musste die Theologie in beide Richtungen reagieren. Zum einen musste das festzuhaltende Neue gesichert werden: Der Schriftbildungs- und Kanonisierungsprozess setzte ein. Zum anderen musste es reaktualisiert werden: Menschen anderer Generationen und Kontexte sollten den Glauben an Jesus Christus ebenfalls als etwas Neues erleben können, als etwas für sie Neues. Zugleich entstanden durch die Ausbreitung des christlichen Glaubens Ausdrucksformen, Texte, Praktiken, Symbole und Semantiken, die durch die Reaktualisierung und Aneignung des Evangeliums unter neuen Bedingungen hervorgerufen wurden. An Punkten, wo unklar war, wie eine neue Situation auf der Grundlage der christlichen Botschaft zu beurteilen und zu bewältigen war, mussten Entscheidungen getroffen werden (vgl. Bildung von Lehre, Bekenntnis, Dogmen). Das heißt, es begann sich herauszubilden, was später als „Tradition“ neben die „Schrift“ als Offenbarungsquelle trat. Je mehr der Applikationsprozess voranschritt, desto dringlicher wurde die Aufgabe, die Vielfalt neuer Ausdrucksformen bändigen zu können und die Ursprungstreue zu Jesus Christus zu bewahren.

Damit ergaben sich zwei Pole, die es zusammenzuhalten galt: die Bewahrung und Konservierung des in Jesus Christus hereingebrochenen Neuen als grundlegender Basis für die neue Religion des Christentums und die Reaktualisierung, Inkulturation und Internalisierung dieser Basis in neuen Kontexten.

Damit hat die Theologie bis heute vor allem im Bereich des Schriftverständnisses, der Exegese und der Hermeneutik zu kämpfen.60 Gegenwärtig befindet sich zumindest die evangelische Theologie erneut in einem sehr divergenten Feld, das sich aus der Theologiegeschichte ergeben hat.61 Die Grenzlinien verlaufen entlang der Frage, ob die alten Texte mit den neuen Erfahrungen zusammengesehen oder gegeneinander ausgespielt werden und ob den alten Texten ein höherer Stellenwert zugemessen wird als den neuen Erfahrungen – oder umgekehrt.

Die Reformation hatte gegenüber einer ausufernden Praxis der Ergänzung des Neuen um neue Regelungen und Entscheidungen mit Nachdruck die Bewahrung des „alten Neuen“ eingefordert62 : Ad fontes – zurück zu den Quellen. Die Bändigung der Tradition durch die Orientierung am Alten, an der Schrift, war eines ihrer vordringlichen Anliegen. Die altprotestantische Orthodoxie fixierte dies in einem formalisierten Schriftprinzip, wonach jedes Wort der Bibel verbal inspiriert war. Das sollte das altgewordene Neue absichern. In der Folge entwickelte sich eine akribische Exegese, die den historischen und damit ursprünglichen Sinn der biblischen Texte erheben wollte. In die Krise geriet das Schriftprinzip der Reformation, als sich eine neue Erkenntnis in der Exegese Bahn brach: Die Bibel war nicht ohne Weiteres als Regel und Richtschnur der Ursprungstreue verwendbar, weil sie in sich selbst vielfältig war – in ihren historischen Kontexten, in ihren Aussagen, in ihrem Entstehungsprozess. So entdeckten es Theologen wie Johann Salomo Semler in der Aufklärungsepoche. Der Rückgriff auf eine alte, einheitliche Größe, funktionierte nicht mehr. Denn die äußere Klarheit der Schrift (claritas externa) stand in Frage.

Das reformatorische Schriftprinzip drohte aber auch vom anderen Pol her zu erodieren. Je mehr der historische Abstand ins Bewusstsein trat, desto plausibler schien es, auf die Reaktualisierung beim einzelnen Menschen zu setzen. In diese Richtung gehört Schleiermacher63 , die liberale Theologie, aber auch die erfahrungsorientierten Hermeneutiken des 20. Jahrhunderts. Mit Nachdruck wurde die Reaktualisierung, die Applikation, die Relevanz für den eigenen Kontext zur Geltung gebracht – mithin die claritas interna, die innere Klarheit, die sich im glaubenden Menschen herausbildet. Die Erfahrung von Menschen in bestimmten Kontexten sollte der Ausgangspunkt dafür sein: die Erfahrung von Frauen in der feministischen Exegese, die Erfahrung von Armen und Marginalisierten in der Befreiungstheologie und später dann beispielsweise die Erfahrung Homosexueller in der queeren Hermeneutik. Nur wenn das Alte Relevanz für diese Kontexte hatte, war es vor seiner eigenen Veraltung geschützt. Hier wiederum meldeten sich Befürworterinnen und Befürworter der Ursprungstreue zu Wort. Sie warfen den kontextuellen Zugängen vor, zugunsten der eigenen Erlebniswelt die Verbindung zum Ursprung zu kappen, nämlich in den biblischen Texten nur die Bestätigung ihrer eigenen Interessen zu suchen. „Die eigene existentielle Befindlichkeit wird damit zur einzigen theologischen Wahrheit. Neue Erfahrung ist ausgeschlossen.“64 Paradoxerweise wäre dann der eigene Kontext das Alte, dasjenige, in dem ich mich ohnehin schon immer befinde, und biblische Texte könnten gerade dann für mich Neues bringen, wenn sie meine eigenen Perspektiven aufsprengen.65 Mit anderen Worten: für die andere Seite ist fraglich, ob es sich um eine Re-Aktualisierung des Alten oder eher um Aktualismus handelt.

Die Aushandlung zwischen der Bewahrung und der Erneuerung des altgewordenen Neuen bleibt schwierig. Der breiteste neuere Strang dabei bildet die Rezeptionsästhetik, die stärker dem Reaktualisierungspol zugehört, aber in Richtung der Ursprungstreue bereits weiter differenziert wurde. 66 Im Grunde wird die Diastase zwischen der Produktion des Bibeltextes in alter Zeit und dem heutigen Leser in neuem Kontext dadurch überbrückt, dass die Rezeption des Textes in den Vordergrund rückt. Bei jedem Akt des Lesens geschieht etwas Neues. Die Lesenden wirken nämlich aktiv an der Konstitution des Textsinnes mit. Sie füllen die im Text angelegten Leerstellen mit ihren eigenen Gedanken auf.67 Für das Arbeiten mit der Denkfigur alt/ neu ist daran gut, dass die Rezeptionsästhetik einen starren Dualismus aufbricht, insofern die Offenheit für Neues als schon im Alten selbst angelegt versteht.

In der Orientierung am Leser/an der Leserin überschneidet sich die Intention der Rezeptionsästhetik mit derjenigen kontextueller Hermeneutiken. Theologisch wird das Lesen und Aneignen des Bibeltextes als eine Art Neuschöpfung verstanden: „Jede Interpretation ist, weil sie in einem neuen Kontext geschieht, eine neue Interpretation. Jede neue Lektüre eines Textes ist eine ‚schöpferische Erinnerung‘, ja, ein ‚Schöpfungsakt‘. Der Versuch, in aeternum die ‚Wesenheit des Christentums‘ zu definieren, ist eine ‚Illusion des Essentialismus‘.“68 Ähnlich wie in der Eschatologie stellt sich hier die entscheidende Aufgabe, die Kontinuität und Diskontinuität von alter und neuer Schöpfung auszuhandeln. Denn wie in den kontextuellen Hermeneutiken bleiben auch bei der Rezeptionsästhetik die Hinweise nicht aus, dass bei unbegrenzten individuellen Sinnbildungen der biblische Text der Willkür ausgesetzt wird. Zwar lässt sich der intersubjektive Austausch innerhalb der Lese- und Weggemeinschaft der Kirche als Kontrollinstrument in Anschlag bringen,69 aber die Rolle der methodisch verfahrenden Exegese bleibt in diesem Setting noch
fraglich.70 Ein Weg, den z.B. Ulrich H.J. Körtner71 vorgeschlagen hat, stellt die Erhebung einer intentio operis dar – nachdem die intentio auctoris wegen der vielfältigen Ausdeutbarkeit nach dem „Tod des Autors“ verabschiedet wurde und die Texte nicht allein der intentio lectoris überlassen werden sollen, käme die ursprüngliche Intention des Werkes (also auch des ganzen biblischen Buches oder Kanons) als regulative Größe in Betracht. Wiederum, ähnlich wie bei kontextuellen Hermeneutiken, müsste es möglich sein, dass nicht nur der Textsinn eine Neuschöpfung durch die Lesenden erfährt, sondern auch die Lesenden durch den Text: Erst wenn ich mich selber durch die Begegnung mit dem Text neu verstehen kann, kommt die Leseerfahrung an die Erfahrung von Neuem heran, wie sie diejenigen am Ursprung einmal hatten.72 Das heißt, das kritische Gegenüber des Novum darf genauso wenig verlorengehen wie in der Geschichtstheologie.

Kleiner Lasterkatalog der Aufgabenbewältigung und Ausblick

Wie tief die Auseinandersetzung mit der Denkfigur alt vs. neu in die Theologie eingesenkt ist, hat sich an den fundamentalen Aufgaben gezeigt, die ihr von Anfang an gestellt waren – sowie daran, dass sich wichtige Zweige der Theologiegeschichte als Bewegungen entlang dieser Denkfigur darstellen ließen. Es ließe sich auch daran zeigen, wie sich manches im Hinblick auf die Reformation als kleinerem ‚Neuereignis‘ in der evangelischen Theologiegeschichte wiederholt. So wie bei Jesus das Verhältnis zum Judentum diskutiert wird, so bei Luther sein Verhältnis zur Mystik und spätmittelalterlichen Theologie. Wer den Protestantismus profilieren will, betont selbstverständlich stärker den Bruch.

Die Denkbewegungen entlang von alt und neu habe ich in diesem Beitrag auch mit „abgleiten“, „ausrutschen“ oder einem „eisglatten Grund“ beschrieben. Denn dass die Theologie sich auf das jeweilige Neuland wagen musste, war notwendig. Dass sie dabei auf Abwege geriet, geht nicht flächendeckend auf ideologische Voreinstellungen zurück, sondern liegt mit an strukturellen Logiken, auch der der Denkfigur alt vs. neu. Ein Schritt in diese Richtung führt aber sehr schnell zu Einseitigkeit, Irrwegen und auch Ideologieanfälligkeit. Und dabei handelt es sich beileibe nicht um kleine „Ausrutscher“, sondern oftmals um wirkungsmächtige Stränge der Theologiegeschichte.

Aus der Bewegung zwischen alt und neu in den oben dargestellten Zusammenhängen möchte ich einen kleinen „Lasterkatalog“ erheben. Wie in den Briefen des Neuen Testaments von bestimmten sozialen Verhaltensweisen abgeraten wird (daher stammt der Begriff Lasterkatalog), so möchte ich allen Theologietreibenden von bestimmten Umgangsweisen mit der Denk- und Argumentationsfigur alt/neu abraten. Folgende Wege sollte die Theologie im Umgang mit dem Neuen als ihrem Gegenstand unterlassen:

In der Christologie:

·       Ein negatives Altes konstruieren und sich auf Kosten des Alten profilieren

In Geschichtstheologie und Eschatologie:

·       Das faktische Alte verleugnen zugunsten des verkündigten Neuen

·       Das verheißene Neue verschweigen

·       Das Neue ethisieren

·       Das Neue tot-prozessualisieren oder fraktionieren

·       Das Neue in der Geschichte identifizieren, ohne die Ausständigkeit des Neuen zu bedenken

·       Das Neue abstrakt halten, ohne seinen Anbruch inmitten der Geschichte aufzuzeigen

In der Schrifttheologie:

·       Alte Texte und neue Erfahrungen nur als Gegensatz wahrnehmen

·       Den Textsinn als abgeschlossen konservierbar verstehen

·       Alte Texte von neuen Erfahrungen vereinnahmen lassen

Diese Liste richtet sich nicht nur an die akademische Theologie, sondern auch an die kirchliche Praxis und das Gebiet der Frömmigkeit. Manche Predigten neigen nach wie vor dazu, ein negatives Altes zu konstruieren und den eigenen Standpunkt auf Kosten des Alten zu profilieren. Enthusiastische Frömmigkeitskreise erliegen oft der Gefahr, die Realität des faktischen Alten auszublenden. Dass das verheißene Neue in Vergessenheit gerät, droht dagegen dort, wo man besonders intensiv den Anschluss an die Lebenswirklichkeit von Schülerinnen und Schülern, Konfirmandinnen und Konfirmanden oder von kirchlich Distanzierten sucht. Auf das homiletische Problem, die grundstürzende Osterbotschaft zu ethisieren oder fraktionieren, wurde schon hingewiesen. Auch die beiden Punkte, die das Verhältnis zur Geschichte betreffen, stellen eine bleibende Herausforderung insbesondere für Predigten, Andachten und die christliche Publizistik dar. Entscheidungen darüber, wie alte Texte und neue Erfahrungen im Verhältnis stehen, wirken sich unmittelbar auf die Konzepte von Konfirmations- und Schulunterricht aus.

Aber die Denkfigur alt vs. neu hat die Theologie nicht nur auf Irrwege geführt. Wie ersichtlich wurde, hat sie sich dort zum Guten ausgewirkt, wo ein Neues als kritisches Gegenüber fungieren konnte – zu geschichtlichen Entwicklungen oder zu unseren Zugriffen auf das Alte. Sie hat sich auch dort zum Guten ausgewirkt, wo das Alte als Anwalt von Geschöpflichkeit und Ursprungstreue fungieren konnte.

Was die Felder der systematischen Theologie angeht, scheint mir überall dort, wo die Christologie als prägende Kraft wirkte, die Tendenz zu einer starken Kontrastierung von alt und neu zu gehen. Das gilt für das Feld der Christologie selbst (vgl. 1), aber auch für christozentrische Ansätze wie die dialektische Theologie (im Gegenüber zur Natur, natürlichen Offenbarung usw.). In Bereichen, wo das weniger der Fall war, wie z.B. in der Schöpfungslehre und Geschichtstheologie, scheint der Kontrast zumindest in der neueren Theologie nicht in gleichem Maß gewirkt zu haben.73 Das gilt auch für die Gotteslehre: Dass Gott offen ist für Neues, mit Menschen neue Erfahrungen macht, dazu lernt, Reue zeigt – das war lange Zeit im Ideal eines Alt und Neu umgreifenden Ewigkeitsgottes undenkbar und wird erst in jüngeren Beiträgen erprobt.74

Diese Thesen wäre an weiteren einschlägigen Feldern wie der Ekklesiologie (semper reformanda!), der Reflexion der Theologie auf sich selbst (De theologia: lernende Theologie), der Offenbarungstheologie (lernen aus fortschreitender Offenbarung?) oder der Theologie der Religionen zu überprüfen.

Der Umgang mit dem Neuen innerhalb und außerhalb der eigenen Domäne wird auch in Zukunft für die Theologie eine Aufgabe bleiben, die sich quer durch ihre Disziplinen, Themen und Praxisvollzüge zieht. Vielleicht lassen sich allerdings einige der aufgezeigten Abwege durch die Reflexion auf das Alte – also auf die Theologiegeschichte – in Zukunft vermeiden.

Literatur

Alt, Franz: Jesus – der erste neue Mann, München 1989.

Bachmann, Michael (Hg.): Lutherische und neue Paulusperspektive, WUNT 182, Tübingen 2005.

Beintker, Michael: Die Frage nach Gottes Wirken im geschichtlichen Leben, in: ZThK 90 (1993), 442–461.

Bendik, Ivana: Paulus in neuer Sicht? Eine kritische Einführung in die „New perspective on Paul“, Judentum und Christentum 18, Stuttgart 2010.

Bormann, Lukas: Auch unter politischen Gesichtspunkten sehr sorgfältig ausgewählt: Die ersten deutschen Mitglieder der Studiorum Novi Testamenti Societas (SNTS) 1937–1946, In: New Testament Studies 58.3 (2012), 416-452.

Boschki, Reinhold: Schweigen und schreien zugleich. Anklage Gottes im Werk von Elie Wiesel, in: Martin Ebner u.a. (Hg.), Klage, Jahrbuch für biblische Theologie 16, Neukirchen-Vluyn 2001, 109-132.

Bühler, Pierre: Art. Neues Testament, III. Systematisch-theologisch, in: Oda Wischmeyer u.a. (Hgg.), Lexikon der Bibelhermeneutik. Begriffe – Methoden – Theorien – Konzepte, Berlin/ Boston 2013, 412f.

Bultmann, Rudolf: Jesus, Tübingen 1983 [1926].

Dassmann, Ernst: Die verstummte Klage bei den Kirchenvätern, in: Martin Ebner u.a. (Hgg.), Klage, Jahrbuch für biblische Theologie 16, Neukirchen-Vluyn 2001, 135-151.

de Lange, Nicholas R. M.: Art. Antisemitismus IV, in: TRE 3 (1978), 128-137.

Dieckmann-von Bünau, Detlef: Art. Rezeptionsästhetik (AT), in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de), 2007 (Zugriffsdatum: 10.8.2017), (http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/33446/). 

Döhling, Jan-Dirk: Der bewegliche Gott. Eine Untersuchung des Motivs der Reue Gottes in der Hebräischen Bibel, Herders biblische Studien 61, Freiburg u.a. 2009.

Drehsen, Volker: Art. Neuprotestantismus, in: TRE 24 (1994), 363-383.

Drewermann, Eugen: Die Apostelgeschichte. Wege zur Menschlichkeit, Ostfildern 2011.

Engemann, Wilfried: Einführung in die Homiletik, Tübingen/Basel 2002.

Erlemann, Kurt: Art. Zeit. IV. Neues Testament, in: TRE 36 (2004), 523-533.

Evangelische Landeskirche in Württemberg (Hg.): Evangelisches Gesangbuch, Ausgabe für die Evangelische Landeskirche in Württemberg, Stuttgart 1996.

Fuchs, Ernst: Das Zeitverständnis Jesu, in: Ders., Zur Frage nach dem historischen Jesus. Gesammelte Aufsätze II, 2., durchges. Aufl., Tübingen 1965, 304-376.

Gerber, Uwe: Die feministische Eroberung der Theologie, München 1987.

Graf, Friedrich-Wilhelm: Art. Protestantismus II. Kulturbedeutung, in: TRE 27 (1997), 551-580.

Gräßer, Erich: Art. Schweitzer, Albert (1875-1965), in: TRE 30 (1999), 675-682.

Grundmann, Walter: Die Geschichte Jesu Christi, Berlin 1956.

Harasta, Eva (Hg.): Mit Gott klagen. Eine theologische Diskussion, Neukirchen-Vluyn 2008.

Hartlieb, Elisabeth: Natur als Schöpfung. Studien zum Verhältnis von Naturbegriff und Schöpfungsverständnis bei Günter Altner, Sirgurd M. Daecke, Hermann Dembowski und Christian Link, Darmstädter Theologische Beiträge zu Gegenwartsfragen 2, Frankfurt a.M. 1996.

Holzem, A.: „Kriminalisierung“ der Klage? Bittgebet und Klageverweigerung in der Frömmigkeitsliteratur des 19. Jahrhunderts, in: Martin Ebner u.a. (Hgg.), Klage, Jahrbuch für biblische Theologie 16, Neukirchen-Vluyn 2001, 153-181.

Iwand, Hans Joachim: Nachgelassene Werke. Neue Folge, Bd. 1: Kirche und Gesellschaft, bearbeitet, kommentiert und mit einem Nachwort versehen von Ekkehard Börsch, Gütersloh 1998.

Jüngel, Eberhard: Paulus und Jesus. Eine Untersuchung zur Präzisierung der Frage nach dem Ursprung der Christologie, Tübingen 1962, Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie 2, 177-215.

Kampling, Rainer: Art. Antijudaismus, in: Wolfgang Benz (Hg.), Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Bd. 3: Begriffe, Theorien, Ideologien, Berlin/New York 2010, 10-13.

Käsemann, Ernst: Das Problem des historischen Jesus, in: Ders., Exegetische Versuche und Besinnungen I, Göttingen 1960, 187-214.

Käsemann, Ernst: Der Römerbrief (HNT 8a), Tübingen 1973.

Kittel, Gerhard: Jesus und die Juden, Berlin 1926.

Koenen, Klaus: Art. Eschatologie (AT), in: Das Wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (www.wibilex.de), 2007 (Zugriffsdatum: 18.8.2017), http://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/20917/.

Körtner, Ulrich H.J.: Der inspirierte Leser. Zentrale Aspekte biblischer Hermeneutik, Göttingen 1994.

Körtner, Ulrich H.J.: Einführung in die theologische Hermeneutik, Darmstadt 2006.

Lauster, Jörg: Krise und Neubegründungen der Schriftautorität seit der Aufklärung, in: Peter Gemeinhardt (Hg.), Gebundene Freiheit? Bekenntnisbildung und theologische Lehre im Luthertum, Gütersloh 2008.

Lauster, Jörg: Prinzip und Methode. Die Transformation des protestantischen Schriftprinzips durch die historische Kritik von Schleiermacher bis zur Gegenwart, Hermeneutische Untersuchungen zur Theologie 46, Tübingen 2004.

Loader, James Alfred: Art. Gesetz und Evangelium. I. Alttestamentlich, in: Oda Wischmeyer u.a. (Hgg.), Lexikon der Bibelhermeneutik. Begriffe – Methoden – Theorien – Konzepte, Berlin/Boston 2013, 217f.

Luz, Ulrich: Theologische Hermeneutik des Neuen Testaments, Neukirchen-Vluyn 2014.

Maschmeier, Jens-Christian: Rechtfertigung bei Paulus. Eine Kritik alter und neuer Paulusperspektiven, Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament 189, Stuttgart 2010.

Merz, Annette: Art. Jesus Christus, in: Gössmann, Elisabeth u.a. (Hgg.), Wörterbuch der Feministischen Theologie, 2., vollständig überarbeitete und grundlegend erweiterte Auflage, Gütersloh 2002, 300-304.

Oberdorfer, Bernd: Die Bibel als Offenbarungszeugnis und Geschichtsdokument. Theologische Hermeneutik angesichts der Herausforderungen der Moderne, in: Hans Vilmar Geppert/Hubert Zapf (Hgg.), Theorien der Literatur. Grundlagen und Perspektiven, Bd. 3, Tübingen 2007, 235-255.

Oeming, Manfred: Biblische Hermeneutik. Eine Einführung, Darmstadt 22007.

Pinnock, Clark H.: Systematic Theology, in: Ders. u.a. (Hgg.), The openness of God. A Biblical Challenge to the Traditional Understanding of God, Downers Grove/IL 1994, 101-125.

Plaskow, Judith: Feministischer Antijudaismus und der christliche Gott, in: Kirche und Israel 1 (1990), 9-25.

Rich, Arthur: Wirtschaftsethik, Bd. 1: Grundlagen in theologischer Perspektive, Gütersloh 1984.

Roloff, Jürgen: Einführung in das Neue Testament, bibliografisch erneuerte Ausgabe, Stuttgart 2003.

Schneider-Flume, Gunda: Grundkurs Dogmatik. Nachdenken über Gottes Geschichte, 2., durchges. Aufl., Göttingen 2008.

Schrage, Wolfgang: Vorsehung Gottes? Zur Rede der providentia Dei in der Antike und im Neuen Testament, Neukirchen-Vluyn 2005.

Schweitzer, Albert: Geschichte der Leben-Jesu-Forschung, Tübingen 91984.

Schwöbel, Christoph: Die Letzten Dinge zuerst? Das Jahrhundert der Eschatologie im Rückblick, in: Ders. (Hg.), Gott in Beziehung. Studien zur Dogmatik, Tübingen 2002, 437-468.

Teuchert, Lisanne: Gottes transformatives Handeln. Eschatologische Perspektivierung der Vorsehungslehre bei Romana Guardini, Christian Link und dem „Open theism“, Göttingen, im Erscheinen.

Theißen, Gerd/von Gemünden, Petra: Der Römerbrief. Rechenschaft eines Reformators, Göttingen 2016.

Theißen, Gerd/Merz, Annette: Der historische Jesus. Ein Lehrbuch, 3., durchgesehene und um Literaturnachträge erg. Aufl., Göttingen 2001.

Theißen, Gerd: Das Neue Testament, 2., durchgesehene Aufl., München 2004.

Theißen, Gerd: Die Religion der ersten Christen. Eine Theorie des Urchristentums, 3., durchgesehene Aufl., Gütersloh 2003.

Thomas, Günter: Neue Schöpfung. Systematisch-theologische Untersuchungen zur Hoffnung auf das "Leben in der zukünftigen Welt", Neukirchen-Vluyn 2009.

Valtink, Eveline: Christologie-Verzicht in der feministischen Theologie – Eine Falle für Antijudaismus. Über die Fragwürdigkeit (feministisch-)theologischer Versuche, die Einzigartigkeit Jesu historisch zu untermauern, in: Renate Jost/Eveline Valtink (Hgg.), Ihr aber, für wen haltet ihr mich? Auf dem Weg zu einer feministisch-befreiungstheologischen Revision von Christologie, Gütersloh 1996, 78-101.

van Oorschot, Frederike: Die Krise des Schriftprinzips als Krise der theologischen Enzyklopädie, in: EvTh 76 (2016), H. 5, 386-400.

von Stosch, Klaus: Theodizee, Paderborn 2013.

Wolff, Hanna: Jesus als Psychotherapeut. Jesu Menschenbehandlung als Modell moderner Psychotherapie, Stuttgart 1978.

Wolff, Hanna: Jesus der Mann. Die Gestalt Jesu in tiefenpsychologischer Sicht, Stuttgart 1975.

Comments
1
Adventskalender
?
Matthias Bluemke:

Wer wie Franz Alt (in "Was Jesus wirklich gesagt hat. Eine Auferweckung", 2015) "begriffen" hat, hat u.U. noch gar nichts begriffen. In seiner privaten Gewissheit, die Bibelforschung hätte selbst den "Kernpunkt christlichen Glaubens, die österliche Auferstehung" ins Symbolische verwiesen, entkernt Alt das Christentum und beseitigt in Zuspitzung auf das Ethische das absolut Anstößige, das Neue, das da in Welt kommt. Diese Jesuanische Auferstehung sei "demnach eher Glaubensinhalt als historische Wahrheit oder tatsächlicher Vorgang" (S.69). Damit wird aber der eigentliche Motor der Verkündigung des Ethischen im ersten Jahrhundert gar nicht begriffen.

Sämtliche Bekräftigung des historisch Ausgesagten und ethisch Geforderten gründet ja in der extrem frühen christlichen, intellektuell unerhörten Festlegung auf einen durch Zeugen verbürgten, aber eben mittels Spuren nicht nachweisbaren Vorgang, wonach in Jesus und in der Geschichte mit seinen Jüngern trotz allen Bruchs mit dem bislang sicher Gewussten die Wahrheit schlechthin bezeugt werde. Und trotz aller bezeugten Kontinuität mit diesem Alten entzieht sich das Neue dem Alten und stellt dabei auch vorgefertige Erwartungen infrage. Martha, so glaubensgewiss, begriffen zu haben (wie Franz Alt), glaubt an die Auferstehung - auf althergebrachte Weise. Ihr aber steht - korrekterweise in die Mitte des Evangeliums nach Johannes gerückt - der gegenüber, der der Wahrheitszeuge schlechthin ist - der lebendig macht und ins Leben führt, wann und wo und wie er will - und am Ende - als Wahrheit selbst erkannt - unzerstörbar leben wird.

Der Apostel Thomas durfte seinen neuen Leib noch sehen, betasten und be-greifen - und konnte fortan nicht mehr auf herkömmliche Weise denken und glauben. "Mein Herr und mein Gott" entfährt es ihm unwillkürlich. Überwältigt stellte ihm sich das Problem des faktisch Alten im Moment der Begegnung, in der Konfrontation mit der Wahrheit, nicht mehr. Fortan blieb nur noch Seligkeit für die im Alten fortlebenden, die nicht sehen und dennoch glauben.

Thomas Renkert:

#CursorAdventskalender 2020