8 Monate spaeter, in der naechsten kirchlichen Warte- und Feierzeit schaue ich mir diese Osterbeitraege noch einmal an, interessiert, wie damals diese erste Welle neu und anders wahrgenommen wurde. Dass die “coronatide” selbst von einigen als geradezu spirituelle Erfahrung durchlebt wurde waehrend der Karzeit, mit dem Warten auf Wieder-Herstellung von Leben, wie eine Karzeit, die dann nur irgendwie auf unbestimmte Zeit verlaengert wurde. Ob man so ein Gefuehl noch festmachen kann? Und welche Lern- und Umdenkerfahrungen haben sich inziwschen eingestellt, welche Formate bewaehrt, was wurde am Anfang zu stark dramatisiert, was zu sehr romantisiert? Mich wuerde es sehr interessieren, wie die hier damals befragten Personen hier heute den Advent wahrnehmen…
Aber abgesehen von dieser allgemeinen Frage noch zwei konkrete: Dass aufgezeichnete Gottesdienste, aber selbst synchrone Formate deutlich zentralisierter werden als zuvor, empfinde ich auch so, und aehnliche Tendenzen erlebe ich auch als Lehrperson. Gleichzeitig gibt es viel mehr Moeglichkeiten, wenn man sie klug nutzt, auch laterale und dezentrale Partizipationsmethoden zu nutzen als ueblich - und dass das auch unsere Praxis veraendern koennte. Ich rege meine Studierenden an, waehrend Vorlesungen den chat zu benutzen - und nachdem es am anfang sehr auf Q&A rauslief (was ja auch schon nicht ganz schlecht ist), gehen sie inzwischen oft auch untereinander aufeinander ein, das finde ich total interessant. (warum) ist so etwas nicht auch in gottesdienstlichen Formaten denkbar?
Aber neben der Partizipation und der De/zentralisierung scheint mir die zentrale Frage die der Vermittlung - nicht von Praesenz sondern von unterschiedlichen Formen von Absenz zu sein. Und da koennten wir m.e. noch mal sehr viel deutlicher daran anknuepfen, dass unser Gottesdienst urspruenglich ja viel weniger die Herstellung von Anwesenheit war, sondern der Umgang von und die nur teilweise Ueberbrueckung von verschiedenen Abwesenheit: der Abwesenheit Christ erstmal, zwischen Himmelfahrt und dem Warten auf eine unklare Parusie, derer man gedachte und sich sakramentell versicherte; dann der Abwesenheit der Christ_innen in anderen Landes- und Erdteilen, fuer die man betete und sammelte; spaeter der Abwesenheiten der Verstorbenen, der Kranken, derer in der Gemeinde, die nicht physisch erscheinen konnten, fuer die man aber betete, derer man gedachte, fuer die man evtl. sogar Abendmahlselemente oder diakonische Gaben mitnahm… Ich glaube es ist eine Fehlwahrnehmung, den “Vor-Corona-Gottesdienst” als Praesenz-Veranstaltung und den digitalen als Veranstaltung unter der Bedingung von physischer Abwesenheit wahrzunehmen, aber was wuerde sich in unserem allgemeinen Gottesdienstverstaendnis, und was wuerde sich in unseren Verlust-Lamenten jetzt moeglicherweise aendern, wenn wir das ernstnaehmen?
#CursorAdventskalender 2020