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Was machen Sie an Ostersonntag?

Published onApr 08, 2020
Was machen Sie an Ostersonntag?
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Frau Schlarb, was machen Sie dieses Jahr am Ostersonntag?

Ich werde morgens früh die Osterkerze in der Kirche anzünden und die Kirchentür aufmachen. Dann in Ruhe frühstücken, Freunde und Familie anrufen. Vielleicht höre ich mir einen Gottesdienst im Radio an – einen Fernseher habe ich nicht und wenn ich online gehe, weiß ich schon, dass mein Blick zu professionell wird. Was gefällt mir an einem Angebot, was nicht? Das will ich mir an Ostern ersparen. Nach der Fernseh-Gottesdienst-Zeit werde ich ein paar Gemeindeglieder anrufen. Ansonsten will ich einen langen Spaziergang machen und abends wird gegrillt.

Ostern in Zeiten der Corona-Krise - was bedeutet das theologisch?

„Durch das Dunkel hindurch scheint der Himmel hell“ heißt es in einem Lied im neuen badischen Gesangbuchanhang. In normalen Jahren wäre mir das Lied für Ostern nicht strahlend genug. Dieses Jahr werde ich vermutlich meine Osterandacht zum Mitnehmen daraus stricken. Ostern – das heißt für mich dieses Jahr: Perspektiven in unklaren Situationen, Kraft aufzustehen und dranzubleiben. Hoffnung auch angesichts der vielen Toten. Ostern als trotziges Dennoch, das ist mir dieses Jahr wichtiger als sonst.

Und ganz praktisch: Wie geht parochiale Kirche ohne Kontakt und Versammlung?

Ohne Kontakt geht es nicht. Also ist die Frage, wie trotz Versammlungsverbot Kontakt entstehen kann – zu anderen Gemeindegliedern, zum eigenen Glauben, zu Gott. Im Kontakt zu bleiben und Kontakt zu ermöglichen, darin sehe ich unsere Hauptaufgabe im Moment. Das ist für mich auch das Kriterium, an dem sich entscheidet, ob etwas dran ist oder falscher Aktionismus, hinter dem wir uns verstecken. Wir haben ein Zuhörtelefon eingerichtet, das von Haupt- und Ehrenamtlichen getragen wird. Ich selbst rufe aktiv Gemeindeglieder an und versuche im Stadtteil unterwegs und ansprechbar zu sein. Kinder aus der Gemeinde haben Osterkarten für die Menschen im Pflegeheim gebastelt. Das Signal „Wir sind für euch da“ ist m.E. zentral.

Haben Sie einen konkreten Vorschlag: Wie können Pfarrerinnen und Pfarrer in ihren Gemeinden den Ostersonntag feiern?

Es gibt so viele gute Ideen und ich erlebe auch einen sehr konstruktiven inhaltlichen Austausch zwischen den Kolleg*innen. Auf einmal sind auch mehr gemeinsames Projekte möglich: Zu Palmsonntag und Karfreitag haben wir stadtkirchenweit gemeinsame online-Gottesdienste aufgenommen, an denen sich fast alle Pfarrgemeinden beteiligt haben. Als gemeinsames Projekt ließ sich das auch technisch gut und professionell realisieren. Erstmals gibt es auch einen gemeinsamen Heidelberger Osterbrief, in dem z.B. Liturgien zu Gründonnerstag und Ostersonntag abgedruckt sind. Am Ostersonntag sind wir eher analog unterwegs: Wir planen ein stadtweites Osterliedersingen. Um 12 Uhr werden sich die Posaunenchöre je zu zweien in den Stadtteilen verteilen und alle sind eingeladen zuhause die gleichen Osterlieder zu musizieren. Als Pfarrgemeinde vor Ort gestalten wir mit Liebe Angebote in der offenen Kirche. Die Karwoche über konnte man Scherben in einem Kreuz ablegen – an Ostersonntag wird das Kreuz erblühen. Osterlicht zum Mitnehmen, Andachten zum Mitnehmen, Segensworte. Ich freue mich, wie positiv die Resonanz bisher ist.

Wie können Christinnen und Christen den Ostersonntag zuhause/ in Isolation/ ohne physische Gemeinde feiern?

Es ist schwer, da mache ich mir nichts vor. Sie können die bekannten und genannten Angebote wahrnehmen, auch digital. Wir geben uns viel Mühe. Für diejenigen, die ohnehin gut klarkommen, wird das hilfreich und schön sein. Aber ob es denjenigen, die wirklich einsam sind, tatsächlich hilft, das frage ich mich schon.

Was lehrt uns die Corona-Krise hinsichtlich der Infragestellung des Sonntags-/ Festtagsgottesdienstes als des selbstverständlichen Zentrums der Gemeinde?

Hier vor Ort erlebe ich die Kerngemeinde in der Tat als um den Sonntagsgottesdienst zentriert. Prozentual ist das natürlich nur ein kleiner Teil unserer Gemeindeglieder. Für diese fällt ein großes Stück an Stabilität und Begegnung weg. Vielen Menschen fehlt angesichts von Homeoffice, Homeschooling etc. zudem eine klare Unterscheidung von Freizeit und Arbeitszeit, von Feiertag und Alltag. Der Wert gesellschaftlich verankerter Sonn- und Feiertage wird mir im Moment sehr bewusst. Während wir für unsere klassische Gottesdienstgemeinde gerade weniger zu bieten haben, entstehen m.E. mehr Formen, an die ein größerer Personenkreis anknüpfen kann – sei es durch Angebote im Rahmen der offenen Kirchen oder in den Medien und sozialen Netzwerken.

Zugleich werden Gottesdienste in den meisten Formen der online-Angebote stärker pfarrerzentriert als sonst. Das entspricht weder meinem Bild von Gemeinde noch von meinem Amt. Ich habe noch keinen Gottesdienst als Videokonferenz gefeiert, will das aber gerne ausprobieren: Die Frage ist m.E. ob wir die Chancen der Digitalisierung nutzen können, um mehr Partizipation zu ermöglichen. Einmal selbstkritisch gefragt: Inwiefern geht es uns Pfarrer*innen darum, in einer Situation völliger Rollenunklarheit uns als selbstwirksam zu erleben und inwiefern geht es uns um die Menschen und um das Evangelium? Die derzeit notwendigen Suchbewegungen auszuhalten, ist nicht leicht – vielleicht gewinnen wir aber einen klareren Blick auf das Wesentliche.

 


Dr. Verena Schlarb ist Pfarrerin in der Kreuzgemeinde Heidelberg-Wieblingen

Comments
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Adventskalender
Hanna Reichel:

8 Monate spaeter, in der naechsten kirchlichen Warte- und Feierzeit schaue ich mir diese Osterbeitraege noch einmal an, interessiert, wie damals diese erste Welle neu und anders wahrgenommen wurde. Dass die “coronatide” selbst von einigen als geradezu spirituelle Erfahrung durchlebt wurde waehrend der Karzeit, mit dem Warten auf Wieder-Herstellung von Leben, wie eine Karzeit, die dann nur irgendwie auf unbestimmte Zeit verlaengert wurde. Ob man so ein Gefuehl noch festmachen kann? Und welche Lern- und Umdenkerfahrungen haben sich inziwschen eingestellt, welche Formate bewaehrt, was wurde am Anfang zu stark dramatisiert, was zu sehr romantisiert? Mich wuerde es sehr interessieren, wie die hier damals befragten Personen hier heute den Advent wahrnehmen…

Aber abgesehen von dieser allgemeinen Frage noch zwei konkrete: Dass aufgezeichnete Gottesdienste, aber selbst synchrone Formate deutlich zentralisierter werden als zuvor, empfinde ich auch so, und aehnliche Tendenzen erlebe ich auch als Lehrperson. Gleichzeitig gibt es viel mehr Moeglichkeiten, wenn man sie klug nutzt, auch laterale und dezentrale Partizipationsmethoden zu nutzen als ueblich - und dass das auch unsere Praxis veraendern koennte. Ich rege meine Studierenden an, waehrend Vorlesungen den chat zu benutzen - und nachdem es am anfang sehr auf Q&A rauslief (was ja auch schon nicht ganz schlecht ist), gehen sie inzwischen oft auch untereinander aufeinander ein, das finde ich total interessant. (warum) ist so etwas nicht auch in gottesdienstlichen Formaten denkbar?

Aber neben der Partizipation und der De/zentralisierung scheint mir die zentrale Frage die der Vermittlung - nicht von Praesenz sondern von unterschiedlichen Formen von Absenz zu sein. Und da koennten wir m.e. noch mal sehr viel deutlicher daran anknuepfen, dass unser Gottesdienst urspruenglich ja viel weniger die Herstellung von Anwesenheit war, sondern der Umgang von und die nur teilweise Ueberbrueckung von verschiedenen Abwesenheit: der Abwesenheit Christ erstmal, zwischen Himmelfahrt und dem Warten auf eine unklare Parusie, derer man gedachte und sich sakramentell versicherte; dann der Abwesenheit der Christ_innen in anderen Landes- und Erdteilen, fuer die man betete und sammelte; spaeter der Abwesenheiten der Verstorbenen, der Kranken, derer in der Gemeinde, die nicht physisch erscheinen konnten, fuer die man aber betete, derer man gedachte, fuer die man evtl. sogar Abendmahlselemente oder diakonische Gaben mitnahm… Ich glaube es ist eine Fehlwahrnehmung, den “Vor-Corona-Gottesdienst” als Praesenz-Veranstaltung und den digitalen als Veranstaltung unter der Bedingung von physischer Abwesenheit wahrzunehmen, aber was wuerde sich in unserem allgemeinen Gottesdienstverstaendnis, und was wuerde sich in unseren Verlust-Lamenten jetzt moeglicherweise aendern, wenn wir das ernstnaehmen?

Thomas Renkert:

#CursorAdventskalender 2020

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