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Gretchenfrage oder Nebensache? Zur konzeptionellen Verortung von ›Religion‹ in Überblicksdarstellungen zur europäischen Geschichte des 19. Jahrhunderts

Der Beitrag skizziert, wie Gesamtdarstellungen zur Geschichte Europas konzeptionell mit Religion umgehen – anhand des Verhältnisses von Religion, Gesellschaft und Kultur, des Umgangs mit der Säkularisierungstheorie und des Stellenwerts von Religion für die Konstruktion Europas.

Published onFeb 21, 2022
Gretchenfrage oder Nebensache? Zur konzeptionellen Verortung von ›Religion‹ in Überblicksdarstellungen zur europäischen Geschichte des 19. Jahrhunderts
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1. Einleitung1

»Historiker_innen konnten lange Zeit eine Geschichte Europas schreiben, ohne sich besonders um Religion zu kümmern«.2 Dieser Beobachtung steht der Befund entgegen, wonach Religion »in der Beschreibung Europas eine wichtige Rolle« gespielt habe.3 Um diesem Widerspruch nachzugehen, will ich hier danach fragen, wie ›Religion‹ und das Religiöse (Konzepte, Akteure, Institutionen) in allgemeinhistorischen Überblicksdarstellungen zur Geschichte Europas konzeptionell eingepasst wurden.

Ich beschränke mich auf Werke in deutscher, englischer und französischer Sprache,4 die seit 1990 erschienen sind. Seitdem haben sich die Perspektiven der auf Europa bezogenen Geschichtswissenschaft und -schreibung erweitert und verschoben. Der wirtschaftliche und politische Integrationsschub seit dem Vertrag von Maastricht (1992) schob die Erforschung der europäischen Integration und ihrer (angenommenen) ›Vorgeschichte‹ an und schlug sich in Buchreihen zur Geschichte Europas nieder.5 Nicht erst seit der EU-Osterweiterung von 2004 wurde die Gleichsetzung Europas mit Westeuropa als Kern oder Synonym des ›Westens‹ hinterfragt und eine gleichmäßige Einbeziehung des östlichen Europa gefordert.6 Der historiographische Blick richtete sich nun auf die Differenziertheit aller Regionen Europas einschließlich ihrer religiösen Konstellationen.

Zu fragen ist daher, inwieweit sich dieser erweiterte und differenzierte Blick auf die religiös-konfessionelle Landkarte Europas in den nach 1990 erschienenen Überblicksdarstellungen niederschlug. Diese Frage erscheint auch aufgrund zweier Neuperspektivierungen in den Geschichtswissenschaften sinnvoll: Erstens wird europäische Geschichte in den letzten beiden Jahrzehnten immer weniger als additive Geschichte der einzelnen Nationalstaaten und deren bi- und multilateraler Beziehungen geschrieben. Vielmehr haben sich grenzüberschreitend-transnationale Perspektiven etabliert, die übergreifende Strukturelemente und Entwicklungen vergleichend herausarbeiten und die Untersuchungseinheiten – innerhalb Europas, aber auch mit Blick auf die Kategorie ›Europa‹ insgesamt – über kommunikative Verbindungen, Transfers und Cluster neu konfigurieren.7 Diese räumliche Öffnung erfasste auch die Erforschung religiöser Phänomene.8 Zweitens hat sich seit Ende der 1980er-Jahre eine ›neue Kulturgeschichte‹ formiert, die »Kulturen« als »Sinn- und Unterscheidungssysteme« versteht, die »als spezifische Formen der Weltinterpretation dienen«.9 In dieser historisch-anthropologischen Perspektivierung müsste sich das Verhältnis zwischen ›Kultur(en)‹ und ›Religion(en)‹, die ihrerseits als »Sinn- und Unterscheidungssysteme« sui generis begriffen werden können10, anders darstellen als bei einem gegenständlichen Verständnis von Kultur im Singular.

Mein Focus liegt auf der Darstellung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in der die Sichtbarkeit und der Ort von Religion und Religiosität in den europäischen Gesellschaften konfliktreich verhandelt wurden. Diese Konflikte widerspiegelnd, entwickelte sich um 1900 in der Religionssoziologie die Theorie der Säkularisierung als eines generellen Bedeutungsrückgangs von Religion, die aus anderen Lebensbereichen in eine eigene Sphäre verdrängt worden sei bzw. sich ins Private zurückgezogen habe.11 Auf solchen Vorannahmen basierte die Theorie der »funktionalen Differenzierung« gesellschaftlicher Teilsysteme in der ›Moderne‹.12 Autor_innen13 von Europa-Geschichten haben, auch wenn sie sich nicht auf diese Theorie beziehen, in jedem Fall analytisch und darstellerisch zu entscheiden, ob und wie sie ›Religion‹ als gesellschaftliches Teilsystem auffassen und gegenüber anderen Teilsystemen konturieren wollen.

Berücksichtigt wurden nur solche Überblicksdarstellungen, die prinzipiell alle menschlichen Lebensbereiche unter ›Gesellschaft‹ und/oder ›Kultur‹ behandeln. Das Sample umfasst zum einen epochenübergreifende Gesamtdarstellungen der Geschichte Europas (arbeitsteilig oder aus einer Feder), zum anderen Bände, die sich auf das 19. Jahrhundert konzentrieren und entweder als Einzelveröffentlichungen oder in Buchreihen zur europäischen Geschichte bzw. Weltgeschichte erschienen. Ausgespart wurden Geschichte Europas, die sich auf einen Sektor oder Lebensbereich beschränken, etwa solche, die überwiegend die internationalen Beziehungen der europäischen Nationalstaaten und ihre Innenpolitik behandeln.14

Die Analyse gliedert sich in drei Leitfragen und Vergleichsparameter: Erstens wird gefragt, wie Religion, Gesellschaft und Kultur voneinander abgegrenzt und aufeinander bezogen wurden. Zweitens geht es um den Umgang mit dem Säkularisierungsnarrativ und darum, wie die sich wandelnden Bedingungen von Glauben und Religiosität im 19. Jahrhundert in einer gesamteuropäischen Perspektive erklärt und dargestellt werden. Drittens ist der Stellenwert von Religion für die historiographische Konstruktion des Untersuchungsraums ›Europa‹ zu beachten – anhand von Aussagen über ›europäische‹ Charakteristika und Strukturmerkmale, die Binnendifferenzierungen des Kontinents und seine Außengrenzen.

2. Religion zwischen Gesellschaft und Kultur

Die allgemeinhistorischen Überblickswerke zur Geschichte Europas im 19. Jahrhundert spannen die Darstellung religiöser Phänomene zwischen bestimmten interpretativen Polen ein. In den Werken der 1990er- und 2000er-Jahre steht das 19. Jahrhundert im Zeichen wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Dynamiken, die in unterschiedlicher Gewichtung aufeinander bezogen werden: Für Merriman bricht nach 1848 ein »age of mass politics« an, in dem sich Religion in einer neuen »mass culture« behaupten muss; für Davies dominiert die Politik der europäischen Mächte.15 Bei Berstein und Milza sind es die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformationen, die politische, geistige, religiöse und kulturelle Umwälzungen bewirken – nicht umgekehrt.16 Zwischen den Polen »Wachstum« und »Gleichheit« bzw. »Fortschritt« und »Teilhabe« stellen Fisch und Sperber das Jahrhundert unter den Primat von Politik und Wirtschaft; Religion bzw. die christlichen Kirchen (sowie kirchennahe Parteien und Bewegungen) erscheinen bei ihnen als Faktoren in gesellschaftlich-politischen Prozessen und Konflikten.17

Evans hingegen zeichnet auch innerkirchliche bzw. innerreligiöse Entwicklungen im Katholizismus, den Protestantismen und den östlichen Orthodoxien nach, wobei er sich, dem Leitmotiv des »pursuit of power« entsprechend, auf die Frage von Macht und Autorität konzentriert. Wie Evans verweist Paulmann auf das Zusammenspiel und die Überlagerung von Religion mit anderen Differenz- und Zugehörigkeitskategorien.18 Steinmetz führt Religion als Ressource bei der Nationsbildung ein; er betrachtet religiöse Zugehörigkeit zunächst als einen Faktor nationaler Abgrenzung und innerer Homogenisierung. Sodann zeigt er, wie sich Künste und Wissenschaften in der zweiten Jahrhunderthälfte von Religion »als höchster sinngebender Instanz« zu emanzipieren suchten, und analysiert die spannungsvollen Abgrenzungsprozesse im Dreieck Künste/Wissenschaften, Staat und Religion bzw. Kirche.19 Die »Encyclopédie historique« greift konzeptionell weiter aus: Der »rapport au monde religieux« ist eine der fünf Achsen, welche diese Geschichte Europas strukturieren; die übrigen Achsen werden mehr oder weniger über ihre allmähliche Loslösung von der sakralen (d.h. religiösen) Sphäre bestimmt.20

In den letzten Jahren zeigt sich somit die Tendenz, den Primat des Politischen (über das Religiöse) aufzugeben zugunsten einer Analyse von Interaktionen, Abgrenzungs- und Ablösungsprozessen, die um Religion kreisen. Wie also werden Religion, Gesellschaft und Kultur konstituiert und aufeinander bezogen?

Liedtke verzichtet darauf, übergreifende Entwicklungslinien für alle Lebensbereiche der europäischen Gesellschaften zu zeichnen. Dafür erhält Religion bei ihm ein eigenes Hauptkapitel. Dies führt zu einer stärkeren ›Versäulung‹ als in den anderen Werken.21 Fisch behandelt im übergreifenden Teil zu den Lebensbereichen, gemäß der Konzeption der Reihe, »Religion und Kultur« additiv in einem Kapitel und grenzt letztere auf Künste und Wissenschaften ein. Zudem will er zeigen, »inwieweit die postulierten Grundströmungen der Zeit, die Ausbreitung der Gleichheit und die Steigerung der Arbeitsproduktivität, auch das geistig-religiöse Leben beeinflusst oder gar geprägt haben.«22 Im Teil zu den »souveränen Staaten« fügt Fisch Kirchenzugehörigkeit, Religiosität und das Staat-Kirche-Verhältnis hingegen in die Entwicklung von Gesellschaft ein. Auch Merriman rückt Religion in das Kapitel zu den gesellschaftlichen Auswirkungen der Industrialisierung ein – unter »mass culture«. Davies zerlegt hingegen den ersten Abschnitt zum 19. Jahrhundert über »Modernisierung« in »Sphären«, wobei er die »religious culture« der »cultural sphere« zuordnet.23

Diese Unterordnung von Religion unter ›Kultur‹ setzt sich seit den 2000er-Jahren durch.24 Dies bedeutet allerdings nicht, dass Religion durchgängig in ein Reservat eingezäunt wird. Sperber etwa verknüpft Entwicklungen der Natur-, Sozial- und Geisteswissenschaften mit breiteren geistigen Strömungen einschließlich ihrer religiösen Züge. Evans bindet Religion und Glaube in das Kapitel zum »age of emotions« ein, das er vom »age of reason« des 18. Jahrhunderts absetzt. Zugleich zeigt er auf, wie andere Felder von Religion und Kirche bzw. Religiosität und Kirchlichkeit tangiert werden oder aktiv auf sie einwirken.25 Und Paulmann, der Religion ebenfalls unter ›Kultur‹ behandelt, relativiert diese Einordnung zugleich: »Religion bildete auch im 19. Jahrhundert eine grundlegende Kraft, die übergreifend in Kultur, Gesellschaft und Politik wirkte. Sie war kein abgegrenzter Bereich«. Steinmetz, in dessen Analyse die funktionale Differenzierung implizit präsent ist, verweist auf die Wahrnehmung der historischen Akteure: »Für große Mehrheiten der europäischen Bevölkerungen war die Religion kein Funktionssystem, das man zeitlich und räumlich von der Wirtschaftstätigkeit, der Politik, der Wissenschaft oder der Geselligkeit abspalten und als reine Privatsache behandeln konnte. Vielmehr bildete sie eine umfassende Weltsicht und sollte in allen Lebenskreisen gegenwärtig sein«.26

Insgesamt wird das, was unter ›Religion‹ gefasst werden soll, meist nicht ausführlich erläutert. Das Verständnis von Religion ist vielmehr über dasjenige von ›Kultur‹ zu erschließen, welches größeren Bedeutungsvarianzen unterliegt als ›Gesellschaft‹. Kultur wird entweder, in Komposita (›Massenkultur‹), als bestimmter Modus gesellschaftlichen Denkens und Handeln begriffen oder als eigenständiger gesellschaftlicher Bereich bzw. gesellschaftliches Teilsystem.27 Diesen ›Rang‹ nimmt Religion nicht (mehr?) ein. Liegt dies daran, dass die Autoren einen Bedeutungsverlust von Religion im Europa des 19. Jahrhunderts feststellen, und wenn ja, warum und in welcher Hinsicht?

3. Zum Umgang mit dem Säkularisierungsnarrativ

Für die überwiegende Mehrheit der Autoren bildet die Frage, ob die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts durch Säkularisierung(en) geprägt gewesen sei, den Ausgangspunkt der Darstellung von Religion.28 In allen Überblicksdarstellungen müssen religiös orientierte Akteure und Institutionen auf die Herausforderungen von Industrialisierung, Technisierung, Verwissenschaftlichung und Massenpolitisierung reagieren. Sie erscheinen tendenziell in einer defensiven Haltung.

Prozesse der Säkularisierung lassen sich auf der Mikroebene (Individuen), der Mesoebene (Gruppen, Netzwerke, Organisationen) und der Makroebene (verschiedene gesellschaftliche Bereiche, Gesellschaft als Ganzes) analysieren.29 Die Einleitung der »Encyclopédie historique« bezieht sich auf den gesamten »espace européen«, während die Artikel insgesamt alle drei Ebenen abdecken.30 Steinmetz verknüpft Positionen auf der Meso- mit Entwicklungen auf der Makroebene. Evans wiederum skizziert differenziert die Entwicklung von Religionsgemeinschaften und konfessionellen Gruppierungen in den unterschiedlichen Ländern.31 Die anderen Überblicksdarstellungen bleiben im Wesentlichen auf der Makroebene der gesellschaftlichen Teilbereiche oder gar der ›europäischen Gesellschaften‹. Die gewählte Analyse- und Darstellungsebene spiegelt das jeweilige Verständnis von Säkularisierung wieder. In den hier behandelten Werken lassen sich die drei zentralen Varianten der Säkularisierungstheorie erkennen: Säkularisierung als Rückgang religiöser Einstellungen und Praktiken im Sinne eines Fundamentalprozesses bei der Herausbildung ›moderner‹ (neuzeitlicher) Gesellschaften, als Entstehung und Differenzierung einer ›säkularen‹ Sphäre, die sich von religiösen Institutionen und Normen ›emanzipiert‹, und als Privatisierung der Religion.32

In den 1990er-Jahren fragen die Darstellungen vor allem danach, ob es einen Bedeutungsverlust der christlichen Kirchen gegeben habe. Die Antworten bleiben meist im Ungefähren – drei Beispiele: Man könnte versucht sein, im 19. Jahrhundert einen Niedergang der Kirchen und des religiösen Empfindens festzustellen, doch die »appareils cléricaux« waren bemüht, ihre Strategien an die neuen Bedingungen anzupassen, ohne grundsätzliche Zugeständnisse zu machen33 – die religiöse Praxis und der Einfluss der Kirchen waren vor allem in Zonen starker Industrialisierung und Urbanisierung rückläufig34 – der Einfluss organisierter Religion auf die Gesellschaft schwand; es gab, mit Gegentendenzen, einen »decline of religious practice«.35 Die Kriterien, an denen sich eine gesamtgesellschaftliche ›Bedeutung‹ von organisierter Religion messen ließe, werden selten expliziert.36 Zumeist werden quantitative Maßstäbe angelegt, also die zahlenmäßige Entwicklung von Taufen, Gottesdienstteilnahmen oder Kirchenaustritten, ohne dass klar wird, in welcher Hinsicht diese Faktoren die ›Bedeutung‹ einer Religionsgemeinschaft anzeigen sollen. Auch deshalb herrscht hier eine unscharfe Begrifflichkeit von ›Einfluss‹ und ›Niedergang‹ vor, die historische ›agency‹ verdeckt.

Seit den 2000er-Jahren wird das Bild facettenreicher. Fisch kombiniert die drei Varianten der Säkularisierungstheorie: Nirgendwo in Europa habe es eine vollständige Trennung von Kirche und Staat gegeben. »Insgesamt aber wurde die kirchliche Position hier doch eindeutig geschwächt«. Und die »Entzauberung und Säkularisierung der Welt« berührte die Religion »auch im persönlichen Bereich«. Doch »das Religiöse wurde nicht einfach hinfällig«.37 Evans sieht tatsächlich eine »secularization of the masses«. Ja, es habe einen Prozess der »Entzauberung der Welt« gegeben, in dem die in der ländlichen Welt gängige Ansicht, die Welt gehe auf eine von einer übernatürlichen Macht gesteuerte magische Schöpfung zurück, durch rationale Glaubenssysteme auf wissenschaftlicher Basis ersetzt worden sei. Dieser Wandel des Glaubens sei jedoch auf Teile der städtischen Arbeiterklasse und das liberale Bürgertum beschränkt gewesen.38

Insgesamt bejaht keiner der Autoren die Säkularisierungstheorie im Sinne eines generellen und ganz Europa umfassenden Bedeutungsrückgangs von Religion. Das 19. Jahrhundert sah, so Fisch, »eher eine Intensivierung und Konzentration im engeren religiösen Bereich als ein[en] Bedeutungsrückgang der Religion insgesamt«.39 Generell wird eine Dialektik von »Rückzug und Wiedereroberung« bzw. von »Säkularisierung und [revitalisierter] Religiosität« angenommen; das Religiöse habe sich in der beginnenden Moderne neu formiert und sich neue Handlungsfelder gesucht.40

Im letzten Jahrzehnt zeigt sich eine Tendenz, die Rede von der Säkularisierung historiographiegeschichtlich einzuhegen und Aussagen auf der Makroebene zu vermeiden. Die »Encyclopédie historique« zeigt dies an. Zwar werden in den Abschnitten zur späten Neuzeit religiöse Phänomene nur selten in eigenen Artikeln behandelt.41 Dies deutet auf ein implizites Säkularisierungsnarrativ hin. Allerdings reichen im zweiten Hauptteil zum Mittelalter viele Artikel des Kapitels »Chrétientés« bis in die Gegenwart und weisen auf die Persistenz und den Wandel vormoderner Strukturelemente hin.42

War die zweite Hälfte des europäischen 19. Jahrhunderts ein »Zeitalter der ›Säkularisierung‹«? Steinmetz wägt ab: »Wenn man unter Säkularisierung lediglich einen Prozess zunehmender Trennung von Kirche und Staat versteht, wird man diese Frage mit Blick auf West- und Mitteleuropa insgesamt bejahen. Wenn Säkularisierung jedoch heißen soll, dass Religion im öffentlichen Leben einen massiven Bedeutungsverlust erlebt und zur reinen Privatsache wird, muss man die Frage verneinen«.43 Paulmann schließlich historisiert die Säkularisierungstheorie, indem er ihre »Ursprünge [...] in den Konflikten des 19. Jahrhunderts selbst verortet«, als liberale Politiker und Wissenschaftler forderten, der Religion eine eigene Sphäre zuzuweisen und dies gesetzlich und administrativ durchzusetzen.44

Die Überblicksdarstellungen des letzten Jahrzehnts spiegeln also in gewisser Hinsicht den »Plausibilitätsverlust der Säkularisierungstheorie«, sofern sie zur Erklärung von »Modernisierung« im 19. Jahrhundert oder der »Herausbildung der Moderne« insgesamt herangezogen wurde.45 An dieser Plausibilität gebricht es der Säkularisierungstheorie auch insofern, als keine ihrer Varianten zu erklären hilft, warum sich Religiosität und Staat-Kirche-Beziehungen in den europäischen Gesellschaften so unterschiedlich entwickelten.46 Gleichzeitig deuten einige der Überblickswerke an, inwiefern es zum Verständnis der gewandelten Rolle von Religion im 19. Jahrhundert beitragen kann, nach Prozessen der Säkularisierung zu fragen. Sperber etwa blickt aus akteursbezogener Perspektive auf bestimmte Praktiken der Säkularisierung auf neuralgischen Feldern wie der Schulbildung.47 Steinmetz vergleicht die Akteure, Gruppen und Konstellationen in den europäischen »Kulturkämpfen«.48 Im Vergleich dieser »Säkularisierungspraxis«49 werden Intentionalität und ›agency‹ auf Mikro- und Mesoebene sichtbar, und es lassen sich regionale und religiös-konfessionelle Ungleichzeitigkeiten in Europa differenziert herausarbeiten.

Solche Vergleichsperspektiven böten sich auch für die Interdependenzen zwischen den Transformationen des Religiösen innerhalb der europäischen Gesellschaften und den (neuen) außereuropäischen Handlungsfeldern an. Beides wird in den hier untersuchten Überblickswerken zumeist getrennt voneinander dargestellt.50

4. Zum Stellenwert von Religion für die Konstruktion des Raums ›Europa‹

Bis ins späte 20. Jahrhundert war die Europa-Historiographie von essentialistischen Deutungen des Wesens und der Natur Europas durchzogen. »[E]uropäische Kultur, Geschichte und Religion« sowie »Europas Werte und Eigenschaften« galten als »›überzeitliche‹ Elemente«. Europa als »christlich« zu verstehen, war eine »der zentralsten Kategorien des geschichtswissenschaftlichen Europabildes«. 51 Mit dem ›cultural turn‹ hat sich die Überzeugung durchzusetzen begonnen, Europa sei »eher etwas Imaginiertes denn eine genau definierbare Realität«, eine »historisch gewordene, kulturell konstruierte Vorstellung«.52 Seit etwa 1990 haben »[d]ie Religion im Allgemeinen und das Christentum im Besonderen [...] für die Historiker in ihrer Deutung europäischer Wesensmerkmale« an Bedeutung verloren; die »Rolle des Christentums in der Geschichte Europas wurde nun sachlicher und distanzierter betrachtet«.53 An diesen Befund anknüpfend, gilt es hier zu fragen, inwieweit ›unsere‹ Autoren religiöse Strukturmerkmale Europas konstruieren, und welche Binnendifferenzierungen sie vornehmen.

Die »Histoire européenne de l’Europe« (1999) schließt mit der Beobachtung, durch die Teilung Europas 1945 sei die »européanité« gestorben – eine Identität, die auf konfliktreiche oder friedliche Art die Werte eines profan gewordenen Christentums mit der Freiheit des Geistes, dem künstlerisch-wissenschaftlichen Erfindungsgeist, den Menschenrechten und der liberalen Demokratie verknüpft habe. Europa wird in dreifacher Weise wesenhaft bestimmt: als plural, christlich und säkularisiert.54 Mit ihrer Teleologie und geschichtspolitischen Mission ist die »Histoire européenne« eine Ausnahme. Fisch steht nicht allein, wenn er keine (spezifisch) ›europäischen‹ Strukturmerkmale, zumal keine religionsbezogenen, herausarbeitet. Dass Kirche und Religion für die Länder Südosteuropas bei ihm nicht darstellungsleitend sind, anders als für die religiös (bzw. christlich-konfessionell) homogeneren Staaten wie Italien oder Spanien, liegt wohl am damaligen Forschungsstand (2002). Dadurch kommt auch das islamische Europa, vor allem im Osmanischen Reich, kaum in den Blick.55 Dies ändert sich seit den 2010er-Jahren, als sich auch die Forschungslage verbessert hatte. Evans beispielsweise behandelt die religiöse (und konfessionelle) Gemengelage in Südosteuropa und im Russischen Reich (Kaukasus) sowie im Osmanischen Reich.56

Es war der Polenspezialist Norman Davies, der sich 1996 gegen eine historiographische Tradition wandte, die Westeuropa (vorwiegend England, Frankreich und Deutschland) mit Nordamerika in einer »Western Civilization« aufgehen lässt. Davies schrieb dagegen an, Europa gedanklich und darstellerisch in eine West- und eine Osthälfte zu teilen. Vielmehr seien die Differenzen innerhalb West- und Osteuropas und diejenigen zwischen Norden und Süden zu beachten. Freilich wiesen alle Regionen Europas bei allen grundlegenden Unterschiede auch Gemeinsamkeiten auf – nicht zuletzt seien sie »common heirs of Christendom«. Doch da Europa nie politisch geeint gewesen sei, zähle Diversität zu seinen dauerhaftesten Merkmalen. Das EU-identitätspolitische Motto der »Einheit in Vielfalt« tönt hier an. Ohne es ausdrücklich zu sagen, erscheinen diese »characteristics« bei Davies als »peculiarities«.57

Steinmetz verweist auf innereuropäische Differenzierungen und Abgrenzungen, die auch durch Markierung religiöser Zugehörigkeiten und Gegensätze geschaffen oder verstärkt wurden. Allerdings zweifelt er an Sichtweisen, die »in dem dauernden Wettstreit der Loyalitäten und religiösen Bindungen ein schon seit der Spätantike sich ausprägendes europäisches Spezifikum sehen wollen«. Einmal mehr verweist er darauf, dass nur im Vergleich mit anderen Weltregionen zu klären wäre, ob die religiöse Landkarte Europas besonders divers – oder sonstwie besonders – war.58 Weiterführend ist vielmehr, solche Zuschreibungen konsequent zu historisieren, wie es die »Encyclopédie historique« in mehreren Artikeln tut. Steinmetz selbst verweist darauf, dass nationale Akteure »religiöse Gegensätze, ethnische Konflikte, historische Feindschaften zu wesenhaften Unterschieden« überhöhten.59 Paulmann schließlich zeigt, wie sich im Zuge der kolonialen Expansion Europas ein »christlich-europäisches Selbstverständnis der eigenen, überlegenen Fortschrittlichkeit« artikulierte, das auch in den Missionsbewegungen zutage trat.60

Bis in die 1960er-Jahre dienten religiöse Zuschreibungen dazu, »sowohl den ›Orient‹ auf Distanz zu Europa zu halten, indem seine islamische Prägung betont wurde, als auch Russland aus dem ›Westen‹ und Europa auszuschließen, indem seine Kultur und seine Religion orientalisiert oder sein orthodoxer Glaube betont wurden«. Europa wurde bis in diese Zeit mit dem Westeuropa der »lateinischen« Christenheit gleichgesetzt.61 In den nach 1990 erschienenen Überblicksdarstellungen ist eine Trennung Europas in ein (›lateinisches‹) ›Abendland‹ und ein niederwertiges östlich-orthodoxes ›Außerabendland‹, das eigentlich nicht zu (West-) Europa gehöre, sondern es allenfalls erweitern könne, nicht (mehr) dingfest zu machen.

Mit Blick auf den Islam stellt sich die ›mental map‹ Europas anders dar. Borne behandelt das Osmanische Reich zwar in einem Überblick der europäischen Staatswesen mit, stellt es aber subtil ›Europa‹ gegenüber. Und bei Merriman erscheint der Islam als außereuropäisches Phänomen: »Europeans, to be sure, have learned from Muslim, Asian, and African cultures«. Eine ähnliche Denkfigur zeigt sich bei Charle und Roche: Der Siegeszug des Christentums sei von innen – durch Häresien, Schismen, Dissentertum, Reformationen, konkurrierende Religionen – oder von außen – durch die »muslimische Herausforderung« mit der osmanischen Expansion und der Islamisierung des Balkans – in Frage gestellt oder gefährdet worden. Solche Abgrenzungen sind aber in der »Encyclopédie« nicht die Regel.62

Seit den 2010er-Jahren thematisieren die Darstellungen die Außengrenzen Europas vornehmlich in der Wahrnehmung der Zeitgenossen – am ausführlichsten Paulmann, der zudem eine tour d’Europe entlang der Meerengen bietet, die im 19. Jahrhundert »die Europäer untereinander und mit nichteuropäischen Gesellschaften verbanden, sie aber auch voneinander trennten«.63 Bei der Straße von Gibraltar und dem Suezkanal treten religiöse Kriterien für solche Grenzziehungen hinzu. Mit Rudyard Kipling wird die »europäische Grenze«, die der »geographisch außerhalb Europas gelegen[e]« Suezkanal markierte, bei Paulmann auch zu einer christlich-nichtchristlichen.64

Insgesamt lässt sich für die Europa-Historiographie der letzten dreißig Jahre nicht sagen, dass Europa durchweg »die Norm, den Raum oder die Idee dar[stellt], zu der ›der‹ Islam den spannungsgeladenen Kontrapunkt beisteuert«. Es kommt zwar vor, dass »der Begriff ›Europa‹ vom kulturell, religiös oder politisch ›Anderen‹ abgegrenzt [wird], historisch exemplifiziert durch den Abwehrkampf gegenüber Araber und Türken«. Doch »als ein ›christliches Commonwealth‹« erscheint das Europa des 19. Jahrhunderts, bei aller Betonung der »revitalisierten Religiosität« der christlichen Konfessionen, nicht (mehr).65 In den hier untersuchten Überblicksdarstellungen zeigt sich vielmehr die Tendenz, Europa zu de-essentialisieren, indem seine Strukturmerkmale und Grenzen als zeitgenössische Zuschreibungen historisiert und ›verflüssigt‹ werden.

5. Ausblick: Von Religion in Geschichten Europas zu einer europäischen Religionsgeschichte?

Religion und das Religiöse sind in allgemeinhistorischen Europa-Geschichten zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts keine Nebensache. Sie rücken freilich ebensowenig ins Zentrum der Darstellung. Dies liegt auch daran, dass die Autoren der hier behandelten Gesamtdarstellungen keine Spezialisten für Staat-Kirche-Beziehungen, Glaubenspraxis, Mission und Konfessionalität sind.66 Doch selbst wenn dem so wäre, hätten sie ›Religion‹ in vielfältige Bezüge eingewoben und die interpretatorischen Hauptlinien nicht oder nicht ausschließlich aus dem Wandel von Religion und Religiosität heraus entwickelt. Schließlich können und wollen allgemeinhistorische Überblicksdarstellungen der Geschichte Europas keine europäischen Religionsgeschichten67 sein.

Abschließend sei hier wenigstens kurz die Herausforderung angerissen, wie eine integrative, multiperspektivische Geschichte Europas zu schreiben wäre, die Religion ins Zentrum stellt und nach der Eigenlogik des Religiösen fragt. Sicherlich wäre eine solche europäische Religionsgeschichte arbeitsteilig zu organisieren, wobei sie verschiedene Zugänge der religionsbezogenen historisch arbeitenden Disziplinen nicht nur »ins Gespräch« bringen, sondern transdisziplinär zusammenführen müsste. Dies würde damit beginnen, Konzepte wie ›Religion‹ und ›Konfession‹ selbst als historisch geworden zu betrachten, um die Interaktion verschiedener religiöser Traditionen in Europa so zu berücksichtigen, dass keine konfessionelle bzw. religiöse Perspektive oder Tradition privilegiert wird und keine asymmetrischen Vergleiche entstehen. Eine europäische Religionsgeschichte müsste also Komparatistik mit Beziehungs- bzw. Verflechtungsgeschichte kombinieren und sich an der regulativen Idee einer »histoire croisée« orientieren.68 Das 19. Jahrhundert würde darin sicher nicht mit »progress, participation and apprehension« oder »the pursuit of power«, mit »Wachstum und Gleichheit« oder »Globaler Vorherrschaft und Fortschrittsglaube« überschrieben werden. Gleichwohl müsste eine europäische Religionsgeschichte Fragestellungen und Interpretationslinien aus solchen Disziplinen aufnehmen, die sich nicht vorrangig mit religiösen Phänomenen befassen. Könnte ein solches Unternehmen Anregungen aus den hier untersuchten allgemeinhistorische Überblicksdarstellungen der Geschichte Europas im 19. Jahrhundert gewinnen?

Transformationen des Religiösen? An den Überblicksdarstellungen lässt sich ablesen, wie Säkularisierungsnarrative für die Interpretation der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung des 19. Jahrhunderts an Erklärungskraft verloren haben. Indem die Werke die vielfältigen Gegentendenzen zu Säkularisierungsprozessen betonen und von einer ›Wiederbelebung‹ von Religion sprechen, halten sie freilich die Säkularisierungstheorie, selbst in einer historisierenden Perspektive, lebendig. Gerade indem sie ständig relativiert oder widerlegt wird, ist sie immer noch darstellungsleitend.

Die Frage nach bestimmten Prozessen und Praktiken der Säkularisierung bleibt selbstverständlich legitim. Der für alle Zeiten gültige Befund, »Religion veränderte ihre Kraft«69, ließe sich terminologisch aufwendiger als fortlaufende Transformationen des Religiösen fassen. Im Rahmen einer europäische Religionsgeschichte (des 19. Jahrhunderts) wären also die für diesen Zeitraum spezifischen Umcodierungen und Bedeutungsverlagerungen des Religiösen und des Säkularen, auch im Sinn von De- und Resakralisierungen, zu beachten, wobei das Religiöse und das Säkulare als relationale, auf einander angewiesene Kategorien erscheinen, deren Grenzen verhandelbar waren und stets neu gezogen wurden.70 Eine Gesamtdarstellung würde religiöse Gleichgültigkeit, Unentschiedenheit, Agnostizismus und Atheismus in dieses religiös-säkulare Interaktionsfeld einbeziehen und ebenso als Bestandteil von Religionsgeschichte begreifen wie sie institutionalisierte Religiosität (der Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften) nicht gegen ›popular religion‹, Paganismus oder gnostische bzw. hermetische Sinnsuchen ausspielen würde. Entscheidend wäre, geeignete Vergleichsparameter auf der Mesoebene zu bestimmen, um solche Transformationen des Religiösen länder- und konfessionsübergreifend vergleichen zu können.

Religion als Kultur? Die jüngeren Überblicksdarstellungen zum europäischen 19. Jahrhundert spiegeln wider, wie sich Perspektiven und Gegenstände der Geschichtswissenschaft seit dem ›cultural turn‹ geweitet haben, indem als religiös bestimmte Phänomene erkenntnisfördernd mit anderen Handlungs- und Untersuchungsfeldern verknüpft werden, etwa mit der Geschichte der Emotionen, der Geschlechterbeziehungen oder der Wissensgeschichte. Letztere vermag, verbunden mit einer Geschichte von Alltagserfahrungen, religiöse Praxis und Denkhaltungen in ihrer regionalen Varianz sichtbar machen.

Auch wenn die neueren Überblicksdarstellungen methodisch von der Neuen Kulturgeschichte inspiriert sind, herrscht darstellerisch durchgängig ein gegenständlich-sektoraler Kulturbegriff vor. Eine Geschichte Europas, die einem kulturwissenschaftlich-semiotischen Kulturverständnis folgt, wäre also noch zu schreiben. Dabei stellte sich das analytische und darstellerische Problem, dass ›Kultur‹ als leerer Signifikant für die Gesamtheit menschlichen Denkens und Handelns stünde und somit aus darstellerischen Gründen wieder sektoral aufgeteilt werden müsste: in wirtschaftliche, politische, rechtliche und – religiöse Kulturen? Für eine europäische Religionsgeschichte stellte sich das Problem umgekehrt: Hier stünde ›Religion‹ für das Ganze.

Religion in Europa – europäische Religionsgeschichte? Die allgemeinhistorischen Europa-Geschichte der letzten Jahre haben den Europa-Begriff historisiert und de-essentialisiert. Wie wäre ein derart fluides ›Europa‹ aus der Perspektive der religionsbezogenen Wissenschaften zu konstruieren und zu analysieren? Dies hängt zunächst davon ab, welche geographischen Räume mit den dort vertretenden Religionsgemeinschaften erfasst werden. Bezieht man das östliche und südöstliche Europa ebenso intensiv ein wie andere europäische Regionen, lassen sich Muslime und Angehörige des aschkenasischen Judentums als Akteure einer europäischen Religionsgeschichte stärker sichtbar machen, als dies in der traditionellen Zentrierung auf die westeuropäische Geschichte der Fall war. Dies gilt ebenso für die orthodoxen und die mit Rom unierten Kirchen. Zudem ginge es darum, »ein systematisches Ineinandergreifen des Islamischen und Europäischen auf lokaler, regionaler und globaler Ebene zu beschreiben.«71 Um diesen Ansatz zu erweitern, könnte eine europäische Religionsgeschichte die Interaktionen des ›Islamischen‹, des ›Christlichen‹ und anderer – religiös oder nicht primär religiös konnotierter – Stränge des ›Europäischen‹ in den jeweiligen Kontaktzonen untersuchen. Ziel wäre es, die religiöse Binnendifferenzierung Europas konsequent abzubilden, ohne Vielheit/Vielfalt als überzeitliche Eigenschaft festzuschreiben und a priori zu einer europäischen Besonderheit zu erklären.

Die Frage, wie Europa als Untersuchungsraum analytisch zu bestimmen sei, ist immer wieder neu zu beantworten. Als ›Europa‹ jeweils den Raum zu untersuchen, den die Akteure der jeweiligen Epoche darunter verstanden, bietet angesichts der Vielgestaltigkeit der Europavorstellungen gerade im 19. Jahrhundert keine Lösung. Außerdem besteht so latent die Gefahr, zeitgenössische Essentialisierungen fortzuschreiben. Teil der Lösung ist es sicherlich, die Geschichte Europas in ihren globalen Bezügen zu untersuchen, also die Interdependenzen zwischen ›inner-‹ und ›außereuropäischen‹ Entwicklungen aufzuzeigen und diese Entitäten damit ansatzweise aufzulösen. Um eine pragmatische Vorverständigung über die Räume, die in einer europäischen (Religions-) Geschichte zumindest initial in den Blick genommen werden sollen, wird man allerdings nicht herumkommen.

6. Literaturverzeichnis

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Comments
32
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Gregor Feindt:

An dieser Stelle eine allgemeine Beobachtung zum Ausblick: Inwieweit sind das Überlegungen zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts oder eher allgemein zur europäischen Geschichte? Für diese Vielfalt wären Industrialisierung, Mobilität und Urbanisierung wichtige Faktoren, die gerade in dieser Zeit einsetzen.

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Gregor Feindt:

Ergänze würde ich noch das Stadt-Land-Gefälle und die soziale Schichtung von religiösen Praktiken. Beide ließe sich als einer innerer Rand Europas betrachten.

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Gregor Feindt:

Was heißt das dann in der Konsequenz: die Orthodoxie wird ja dennoch selten einbezogen, es fehlt also nur die scharfe Abgrenzung?

An dieser Stelle wäre natürlich der Blick in die wenigen existierenden ostmitteleuropäische Europadarstellungen interessant.

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Gregor Feindt:

Bzw. Ostmitteleuropa in den lateinischen Westen einzuschreiben. Vgl. z.B. Oskar Halecki, Borderlands of western civilization. A history of East Central Europe, New York 1952.

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Gregor Feindt:

Ganz allgemein sind solche Einführungen zu en Autor:innen und dem Kontext ihrer Argumentation sehr hilfreich. Auch in den zwei vorherigen Teilen böte das Orientierung.

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Gregor Feindt:

Wenn man das Feld der Europäischen Erinnerung(, die allerdings nur selten die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts thematisiert) betrachtet, ließe sich der Befund mühelos ausdehnen. Vgl. die Rede von den (jüdisch-)christlichen Wurzeln Europas.

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Gregor Feindt:

Das überzeugt, bleibt aber in dieser Abstraktion sehr komplex: um wessen Intentionalität und agency handelte es?

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Gregor Feindt:

Auch wenn später noch etwas zu den Werken kommt, würde ich als neugieriger Leser hier schon gerne präziseres zur Auswahl der Darstellungen erfahren: werden Übersetzungen berücksichtigt? Nur europäische Autor:innen, oder auch amerikanische oder sogar nicht-westliche?

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John Wood:

Der Schluss stellt eine sehr innovative und anregende Forschungsagenda vor! Die wäre aber auch sehr…challenging.

Wie ich am Anfang meinte, haben Sie hier einen sehr anregenden und hilfreichen Überblick geschrieben, der dann auch eine innovative konzeptionelle Agenda vorstellt. Ich finde das Essay sehr gelungen!

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John Wood:

Hier wäre vllt. der Punkt von Patrick Pasture (von mir oben erwähnt) auch relevant.

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John Wood:

Die Selbstdistanzierung dieser Kulturen von Europa (wodurch “Europa” oder “den Westen” als Gegenbild zur eigenen “authentischen” Identität imaginiert wurde) spielt hier auch eine Rolle.

Also: Die Distanz kommt nicht nur von der europäischen / westlichen / lateinischen Seite. Zwei parallel laufenden Prozesse / Standpunkte?


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John Wood:

In seinem Buch zu “Imagining European Unity since 1000AD”, Patrick Pasture hat die Hervorhebung der Diversität als europäischen (Alleinstellungs)merkmal in Frage gestellt und hinterfragt (siehe S. 4-10)

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John Wood:

Das ist tatsächlich schwierig zu bemessen, umso mehr weil viele Gegner der Säkularisierungsthese die quantitative Daten tendenziell als nicht aussagekräftig abtun. Da bleiben diskursive Methoden / Quellen / Analysen, die von Natur aus eher unscharf sind.

Das Problem, die “Bedeutung” der Religion zu messen ist *auch* ein Problem für diejenigen, die diese Bedeutung hervorheben möchten. Und ich habe bisher nicht gemerkt, dass deren Definitionen besser sind als die “andere Seite”.

Die Bemerkung hilft Ihnen an dieser Stelle vllt. nicht, ist mir aber nur eingefallen.

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John Wood:

Mit Bezug auf andere Literatur habe ich in der Einleitung zu meinem Sammelband zu Christentum und Nationaler Identität die Tendenzen so zusammengefasst: dass im 19. Jh. standen Kirchen / Religion und Nationale Identitäten eher in Konkurrenz zu einander und im 20. Jh. waren sie eher Partner als Rivalen (S. 13-14). Diese Verschiebung ist je nach Region / Land unterschiedlich, liegt aber um die Jahrhundertwende. Vielleicht ist das hilfreich.

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John Wood:

Die Einleitung finde ich insgesamt sehr gut und klar formuliert. Ich finde den Zugang zu diesem Thema auch überzeugend. Die Ab- und Begrenzung(en) sind m.E. nachvollziehbar, weil sonst wäre das Thema schwer zu behandeln.

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E. Bouwers:

Geschichte…hat

Geschichten…haben

?????

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E. Bouwers:

Sie meinen, wie bei Todd Weir (“the fourth confession”)?

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E. Bouwers:

Hier bleibe ich hacken. Geht es nur um die Transformation des Religiösen? Einige der Autoren, die Sie genannt haben, beziehen sich doch vor allem auf die Religion und ihre Position in der Welt, weniger auf das Religiöse an sich, oder?

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E. Bouwers:

Guter Punkt!

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E. Bouwers:

Das ist interessant. Was ich hier - bzw. im Text im Allgemeine - noch etwas vermisse, ist die jüdische Perspektive. Zwar geht es um Religion im Allgemeinen, aber in vielen Überblicksdarstellungen werden dann doch eher die Entwicklungen im christlichen Bereich herausgearbeitet. Da Sie hier die Grenze zum Islam aufmachen, sollte man vielleicht irgendwo noch etwas zur Behandlung vom Judentum in den Büchern sagen.

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E. Bouwers:

Und die Frequenz / Intensität religiöser Praktiken / Lebensvorstellungen oder so.

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E. Bouwers:

Vielleicht macht es Sinn hier irgendwo eine Bemerkung - oder eine Fußnote - einzufügen, dass viele dieser Überblickdarstellung vor allem West-Europa im Blick haben. Die These von Berstein / Milza basiert stark auf Entwicklungen ähnlich, wie sie im französischen Raum zu beobachten waren.

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E. Bouwers:

Auch z.B. bei Sperber? Sein Buch habe ich nicht gelesen, aber er kommt ja aus der Religionsgeschichte und hat in anderen Publikationen herade auch die Lebhaftigkeit katholischer Kultur gezeigt.

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E. Bouwers:

Vielleicht: sozialwirtschaftlicher?

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E. Bouwers:

Sie könnten überlegen diesen Teil rauszunehmen. Für Ihre Fragestellung fügt diese Ausweitung wenig zu. Zugleich greift es eine größere theoretische Debatte auf, die Sie nicht wirklich einführen, was möglichweise nicht zu mehr Verständnis führt.

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E. Bouwers:

Ich verstehe den Fokus, der auch Sinn macht. Trotzdem würde ich dafür plädieren an dieser Stelle einen kurzen Satz zum Konflikt um 1800 aufzunehmen, einfach nur um klar zu machen, dass die Konflikthaftigkeit an sich nicht neu war, dass sie aber anders gelagert war als vorher.

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E. Bouwers:

Das macht im Übrigen auch Sinn, weil der Begriff ‘Säkularisierung’ zwar um 1900 in theoretischen Ideen niederschlug, dass Phänomen an sich, wie auch die Praxis von ‘Säkularisation’ deutlich älter ist (in dieser Hinsicht lohnt es sich wo möglich ein Mal den Unterschied zwischen beiden Begriffen zu formulieren, der ja im Englischen so nicht funktioniert - und Sie beziehen sich ja auch noch auf englischsprachiger Forschung).

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E. Bouwers:

Ich würde vielleicht auch noch die Praktiken hinzufügen, da auch Ihre Funktion sich im 19. Jd. - teils aufgrund von Diskussion um die Position von Religion im öffentlichen Raum - geändert haben.

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Noëmie Duhaut:

mentioning just ashkenazim sounds a bit odd. There were sephardic strongholds everywhere in Europe - from the sizable settlements in the Balkans to port cities like Amsterdam and Livorno (and many of these Sephardic merchants moved to the Balkans too). Also, some European Jews are neither Sephardim nor Ashkenazim - e.g. Italian Jews are, well, italkim.

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Noëmie Duhaut:

maybe worth pointing out somewhere that the secularisation theory is itself a western european one / western european centric.

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Noëmie Duhaut:

yes! same phenomenon in books like Histoire mondiale de la France and Deutschland: Globalgeschichte einer Nation.

Andrea Hofmann:

Was wäre das dann für ein Verständnis von Sakralisierung? Entspricht das unseren Überlegungen im Forschungsbereich?

Andrea Hofmann:

Mir leuchtet das völlig ein und ich würde sofort zustimmen - aber wie organisiert man das alles rein praktisch? Welche Form müsste ein solches “Werk” haben? In Buchform kann ich mir das nur schlecht vorstellen, also irgendwie “digital” und so, dass es im Prinzip kontiunierlich weitergeschrieben wird?