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Thesenreihe 3: Amt und Gemeinschaft

Thesenpapier zur Diskussion

Published onMar 22, 2021
Thesenreihe 3: Amt und Gemeinschaft
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1. Kirche ist Gemeinschaft der Glaubenden, die sich zugleich als geistliche Communio als auch als Gemeinde vor Ort konstituiert. In der evangelischen Tradition wird ein Spannungsverhältnis zwischen diesen Größen beschrieben, das auch die Frage nach dem geordnetem Amt in der Kirche umfasst.

2. Es lassen sich drei Formen von Gemeinschaft unterscheiden: Die geistliche Gemeinschaft, die soziale Gemeinschaft und die leibliche Gemeinschaft.

3. Die digitale Vermittlung darf nicht mit der geistlichen Stiftung der Gemeinschaft verwechselt werden, auch wenn beide als virtuelle Formen der Gemeinschaft beschrieben werden können.

4. Soziale und geistliche Gemeinschaft im Digitalen ist möglich und wird gelebt. Sie ist dabei in vielfacher Gestalt möglich. Der gemeinsame Austausch kann sehr unterschiedlich gestaltet sein, so sind zum Beispiel neben synchronen Gemeinschaften auch rein asynchron gestaltete Gemeinschaftsformen möglich. Die Möglichkeit für Anonymität bei gleichzeitiger Verbindlichkeit ermöglicht neue Formen der Gemeinschaft.

5. Digitale Gemeinschaft ist medial vermittelte Gemeinschaft und schließt damit an andere Formen medial vermittelter Gemeinschaft an, wie der Gemeinschaft per Brief, wie wir sie schon im neuen Testament finden.

6. Digitale Gemeinschaften stehen nicht in Konkurrenz zu analogen Gemeinschaften, beide haben ihre eigenen Stärken. Auch hybride Gemeinschaften sind möglich. Vielfach entsteht doch nach einiger Zeit ein Bedürfnis nach zumindest gelegentlicher Begegnung in physischer Präsenz.

7. Digitale Gemeinschaften zeichnen sich auch durch andere Inklusions- und Exklusionsfaktoren aus als kohlenstoffliche Gemeinschaften. So nimmt die Bedeutung von Körperlichkeit und physischer Nähe und Distanz im Digitalen ab und ist vielfach sogar nicht vorhanden.

8. Da physische Anwesenheit im Digitalen kaum eine Rolle spielt, können sich im Digitalen leichter Gemeinschaften bilden, die aus Menschen mit einer bestimmten Kombination von Interessen besteht. Diese Gemeinschaften zeichnen sich oft durch eine hohe Homogenität aus.

9. Von dem Priestertum aller Glaubenden ausgehend wird das Predigtamt und die Sakramentsverwaltung durch die Ausbildung und Beauftragung gesichert.

10. In den sozialen Medien, insbesondere auf Instagram erfolgt eine starke Inszenierung des Amtes. Diese Inszenierung erfolgt vor allem visuell (Talar und/oder Collarhemd). Im Zusammenhang mit persönlichen Darstellungen wird hier vor allem die Verbindung von Amt und Person inszeniert.

11. Die Präsenz zahlreicher Pfarrpersonen in den sozialen Netzwerken führt dazu, dass viele Menschen sich die Pfarrperson für die Gestaltung einer Kasualie nach Sympathie oder Gemeinsamkeiten aussuchen möchten. Dies fordert das bestehende Parochialprinzip heraus. Die Gründung von Kasualagenturen ist eine Reaktion auf den Wunsch nach mehr Wahlmöglichkeiten.

12. Die sozialen Medien fördern das Priestertum aller Gläubigen, da sie jedem Menschen eine potentielle Plattform für die Verkündigung des Evangeliums bieten.

13. Zugleich ist die Attraktivität von religiösen Angeboten unabhängig vom Amt der Personen, die es gestalten. So gibt es einige beliebte Angebote, die überwiegend von Ehrenamtlichen oder von Theologiestudierenden gestaltet werden, wie zum Beispiel die #twomplet oder Fastenaktionen von Theologiestudierenden auf Instagram.

14. Dieses Priestertum aller Gläubigen wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass es bei einem Großteil der digitalen Angebote keine klare Trennung von aktiver und passiver Teilnahme gibt. So kann sich jede*r kann Beteiligen und zum „produser“ werden. Dadurch entstehen meist netzartige Gemeinschaftsstrukturen, ohne zentralen Sender, sondern mit mehreren wichtigen Knotenpunkten.

15. Offen ist weiterhin, wie sich digitale Kirche zur parochialer Kirchenstruktur verhält und diese verändert. Wie parochial muss digitale oder hybride Kirche sein? Wie digital muss eine parochiale Kirche sein?

Connections
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Comments
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Anna Neumaier:

M.E. spiegelt das Netz in ganz weiten Teilen insgesamt Wandel und Bandbreite von sozialen Gemeinschaftsformen wieder. Die Folgefrage wäre vielleicht, was als sine qua non für die Emergenz einer Gemeinschaft gilt (mein take: die Gemeinschaftserfahrung der Beteiligten).

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Anna Neumaier:

Ich habe auch andere Erfahrungen gemacht: Je nach digitalem Ort treffen sich gerade Menschen zu Austausch, die sich als heterogener wahrnehmen als in der Ortsgemeinde (bei der sie den Eindruck haben, dass es qua definitionem eine religiöse Grundhomogenität gibt), und sie schätzen diesen “Blick über den Tellerrand" sehr, gerade in der rückbezüglichen Identitätsarbeit.

Frank Peters:

Unbeschadet meiner Kommentare stimme ich der Grundintention der Thesen voll zu: Digitale Gemeinschaft/Gemeinde ist möglich und als vollwertige Erscheinungsform von Kirche zu würdigen!

Frank Peters:

Stimmt - aber nicht nur im digitalen Raum! Auch analog bilden sich Gemeinden längst und künftig umso mehr quer zu parochialen Strukturen.

Frank Peters:

“Priestertum aller Gläubigen” (PdG) ist - auch wenn es im Evangelischen ständig so verwendet wird - KEIN “Pfarrertum aller Gläubigen”. Das PdG ist für Luther eine rein soteriologische Kategorie: Wir alle stehen als Priester:innen in unmittelbarer Nähe zu Gott und bedürfen keiner priesterlichen Gnadenvermittlung.

Frank Peters:

“kohlenstofflich” scheint synonym zu “analog” gebraucht zu werden. Ein eindeutiger Gebrauch wäre hilfreich.

Frank Peters:

… leibliche Gemeinschaft aber ist im Digitalen nicht möglich?! NB: “leiblich” ist weder mit “analog”/”kohlenstofflich” noch mit “körperlich” (These 7) gleichzusetzen!

Hier und im Folgenden sollten die Begriffe geklärt und stringent gebraucht werden.

Frank Peters:

“digital” und “geistlich” sind zwei grundlegend andere Kategorien!

Frank Peters:

Diese Unterscheidung erschließt sich mir nicht. Geht es um die traditionelle Unterscheidung von ecclesia visibilis et invisibilis?

Die Rede von “Gemeinde vor Ort” ruft jedenfalls das Bild einer “analog” versammelten Gemeinde auf (da digitale Gemeinde ja nicht immer an einem (analogen) Ort versammelt sind.

Frank Peters:

Hier ist ein “kann” zuviel. Und: Soll es nicht “producer” heißen?

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Anna Neumaier:

Ich denke, gemeint ist gerade die Mischung aus ““producer” und “user” (der Begriff wird zumindest hier in da in der Literatur zu digitalen/sozialen Medien so verwendet).

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Carsten Schuerhoff:

Wäre das, so meine Frage, nicht schon kritisch zu begleiten, vielleicht gerade vom Ideal der Ortsgemeinde her, die doch gerade keine Interessensgemeinschaft sein will.

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Carsten Schuerhoff:

Ich habe mich gefragt, wie hier das Verhältnis zum letzten Satz der 6. These gedacht ist. Und: Nimmt die Bedeutung von Körperlichkeit ab? Oder ändert sie sich, wird sie ausgeblendet, geht sie verloren?

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Carsten Schuerhoff:

An dieser Stelle bin ich über die Verbindlichkeit gestolpert. Gehört diese zu den Ermöglichungsvoraussetzungen der neuen Gemeinschaftsformen? Wie äußert sich diese? Und wie ist sie zum Beispiel bei einem gestreamten Gottesdienst zu denken?

Andersherum: Wäre der Satz nicht auch für jeden Sonntagsgottesdienst richtig?