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"Cursor_" - Editorial Manifesto als Erkundung einer Metapher

Published onFeb 09, 2019
"Cursor_" - Editorial Manifesto als Erkundung einer Metapher

Einleitung

Cursor_ ist ein Experiment. Wir sind eine theologische Open-Access Zeitschrift, die es sich zur Aufgabe macht, fachwissenschaftliche Diskussionen, partizipative Textformate und verschiedene digitale Öffentlichkeiten zusammenbringen. 

Explorative Theologie verstehen wir als offenen Prozess gemeinsamen Nachdenkens ueber Diskursgrenzen hinweg und im Ringen mit aktuellen Entwicklungen. Wo Gedanken tentativ, fragend, und experimentell formuliert werden, koennen sie neue Perspektiven eroeffnen.

Als Metapher fuer eine solche explorative Theologie haben wir den auf dem Bildschirm blinkenden Cursor gewaehlt. Der Cursor entstammt der digitalen Welt, die schon lange kein “Neuland” mehr ist. Im digitalen Raum finden Formen schwellenarmen, interdisziplinaeren und von Laien und Expert_innen geteilten Austausches statt, von denen wir auch als akademische Theologie lernen wollen. Prinzipien von Open Science und Informationsdemokratie sind fuer uns aktuelle Interpretationen eines Priestertums aller Glaeubigen, wie es der Reformatorischen Tradition vorschwebte. Darum arbeiten wir an der Aufnahme der von den Digital Humanities eroeffneten Moeglichkeiten auch durch die akademisch-theologische Diskussion mit. Wir sind dabei anderen Projekten und Initiativen verbunden, die ueberlappende Anliegen haben [INSERT LINK TO LINK PAGE]. Unser spezifisches Profil entwickeln wir aber am Bild des Cursors, dessen Dimensionen im Folgenden ausgefuehrt werden sollen.

Der Cursor fungiert als Positionsanzeige, fokussiert die Aufmerksamkeit auf das, was gerade zu Denken aufgibt, erlaubt Vor- und Rueckwaertsbewegungen ebenso wie Interaktion und ist schliesslich der Ort konstruktiver Fortschreibung und Neuschreibung: theologischer Produktion. All diese Dimensionen des Cursors sind Teil des Profils explorativer Theologie, wie sie uns vorschwebt.

Position

Ein Cursor markiert durch sein Blinken deutlich, wo (auf dem Bildschirm, im Text, auf der Karte) wir uns gerade befinden.

Cursor_ versteht sich als Zeitschrift mit Positionsmarkierung. Den eigenen Ausgangspunkt und Horizont zu bestimmen, zu reflektieren und zu artikulieren ist unserer Ueberzeugung nach die Voraussetzung fuer jede akademische Arbeit. In besonderem Masse gilt das fuer theologisches Arbeiten. Theologie, die sich ihrer eigenen Kontextgebundenheit bewusst ist, kann sowohl offen als auch engagiert sein. Eine transparente Selbstverortung ermoeglicht auch das solidarische und kritische Bemühen um ein Verstehen des Anderen. Ohne Position bleibt jeder Dialog abstrakt.

Cursor bietet Raum fuer verschiedene Positionierungen. Im weitesten Sinne verstehen wir unsere eigene Position als theologische Bestimmung im Gespraech wissenschaftlicher Reflektion, als christliche Positionierung involviert in kirchliche und gesellschaftliche Praxis, und als Positionierung, die sich von konkreten Zusammenhängen gefragt sieht.

Als involviert-christliche Position stellen sich uns auch in den jeweiligen Herausforderungen unserer Zeit Fragen wie: Was ist das Evangelium? Wer, wo, was und wie ist Kirche? Worin besteht die Aufgabe der Theologie? Als wissenschaftlich-theologische Position reflektieren wir diese unsere Position ebenso wie das, was sie markieren soll. Als positionierte Zeitschrift, die sich von konkreten Geschehnissen tangieren lässt und diese ihrerseits tangiert und transformieren will, diskutiert Cursor_ theologische Fragestellungen im Horizont ihrer praktischen Implikationen und empirischen Konfrontationen.

Alle in der Zeitschrift artikulierten Positionen stellen sich der oeffentlichen und offenen Diskussion auf PubPub. Unsere Autor_innen sind bereit, Rechenschaft abzulegen, auf Fragen zu reagieren, aber auch dazuzulernen. Akademische Standards wie etwa ein erweitertes Peer-Review-Verfahren sowie konstante Konfrontation und Kritik unserer Sichtweisen durch verschiedene Außenperspektiven überprüfen die Selbstreflexion der Zeitschrift und stellt ihre Positionen in Bezug zu anderen Koordinatensystemen. Der Cursor_ zeigt so stets die eigene Position an und stellt sie zur Diskussion.

Attention

Das Blinken des Cursors ist zugleich ein Teil des User Interfaces. Der Cursor zeigt an, wo unsere Aufmerksamkeit liegt bzw. wohin sie aktuell gerufen wird.

Wissenschaftliche Reflexion soll nicht nur interne Diskussionen fortfuehren, sondern ist gefordert von tagesaktuellen Geschehnissen mit all ihren sozialen, kulturellen, medialen, weltanschaulichen, politischen, ökonomischen und tefchnologischen Dimensionen. Diese wollen kommentiert, bearbeitet, durchdacht und debattiert werden. Dazu gehört auch und zunächst die Erarbeitung einer Diagnose dessen, was der Fall ist. Prognosen wollen ausgeleuchtet werden, wie sich Theologie, Kirche und Gesellschaft zukünftig entwickeln werden und welche gegenwärtigen Trends dafür auszumachen sind.

Wir verstehen Cursor_ als Medium mit Hinweischarakter. Wir sind aktiv beteiligt an bestehenden Konstellationen akademischer, kirchlicher und öffentlicher Debatten und wollen diese mitbeeinflussen. Cursor_ lässt sich von aktuellen politischen, ökonomischen, technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen zum Gespräch herausfordern. Cursor_ macht es sich zur Aufgabe, genau hinzuhören und hinzusehen, wo und was in kirchlichen, christlichen und gesellschaftlichen Diskursen auch unter dem Radar der Akademie diskutiert wird. Cursor_ greift dazu auch auf partizipatorische Forschungsmechanismen etwa aus dem Bereich von Citizen Science zurück. Aufmerksamkeit kann nicht mit globalen Programmen, sondern nur in der Form von Aufmerksamkeit für je konkrete, spezifische Konstellationen geführt werden. Abstraktionen und Theoretisierungen leben vom sorgfältigen Austausch mit empirischen und phänomenologischen Grundierungen. Der blinkende Cursor ist ein Hinweis darauf, dass Aktion, Interaktion, Intervention benötigt werden, und eine Anzeige an der Stelle, wo dies jeweils der Fall ist.

Reversion

Der Cursor eines Computerbildschirms ist in der Lage, im Text zu wandern und vor- und zurückzuspringen. Der Cursor ist die stete Aufforderung, innerhalb des bereits Geschriebenen Veränderungen vorzunehmen: Dinge zu überarbeiten, umzustellen oder auch wieder zu löschen.

Neben der Markierung eigener Positionalität und der Aufmerksamkeit für die je spezifische Situation machen wir uns für eine selbstkritische Debattenkultur stark. Wir stehen für Freiheit im Umgang mit bestehendem Gedankengut und in seiner Aneignung oder Veraenderung. Wissenschaftliche Qualität theologischer Debatten sehen wir v.a. dort, wo sich Positionen durch neue Erkenntnisse ebenso wie durch das Gespräch mit anderen Positionen verändern, verschieben und wandeln können. Theologie und Kirche muessen ihre gesellschaftlichen und historischen Bedingungen kritisch reflektieren — das gilt aber auch fuer die Kritik an ihnen.

Gerade darum sind wir der Ansicht, dass die Theologie von einer neuen Betonung von Bescheidenheit der individuellen Perspektive und einer Priorisierung gemeinschaftlichen Erkenntnisgewinns nur profitieren kann. Dies bedeutet, auch bisher vernachlässigte Stimmen ernst zu nehmen, in der Vergangenheit abgebrochene Gespräche wieder aufzunehmen, und in neuen Situationen nicht nur nach Reformulierungen überkommener Lösungen zu suchen, sondern ebenso nach neuen Fragen und bislang unerprobten Interaktionsansätzen. Der Cursor_ zeigt die Möglichkeiten des Überarbeitens und Zurücknehmens ebenso wie die des Neudenkens und Neuformulierens an.

Interaktion

Neben dem Anzeigen einer Position, dem Binden von Aufmerksamkeit und der Möglichkeit der Veränderung ist ein Cursor auch eine Aufforderung an seine Benutzer_innen, selbst aktiv zu werden und mit- und weiterzuschreiben.

Wir arbeiten an einer neuen theologischen Gespraechskultur. Darunter verstehen wir ehrliche Formen von Selbstverortung und -kritik und den Mut zur Zeitdiagnostik, insbesondere aber auch die dynamische und riskante Interaktion zwischen verschiedenen Gesprächspartnern. Cursor_ erscheint im Modus thematisch gebündelter Ausgaben, um zum jeweiligen Thema konstruktiven Austausch zwischen verschiedenen Ansätzen, Beobachtungen, Methoden und Fragen zu ermöglichen. Dabei sollen Stimmen aus anderen wissenschaftlichen Disziplinen, sowie aus der kirchlichen wie nichtkirchlichen Praxis ins Gespräch gebracht werden. Akademische Diskussionen haben oft etwas geschlossenes und ausschliessendes. Wir suchen auch die Partizipation von Menschen, deren Perspektiven in der Theologie, wenn überhaupt, nur am Rand vorkommen.

Cursor_ lädt zu möglichst offenen Diskussionen ein, in der verschiedene Stimmen zu Wort kommen und die Interaktion zwischen Lesenden und Schreibenden gestaerkt wird. Als Inkubationszelle für einen solchen Dialog versammelt Cursor_ einen wissenschaftlichen Beirat aus unterschiedlichen Konfessionen, unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen sowie verschiedenen kirchlichen und nicht-kirchlichen Arbeitsfeldern. Dieser Beirat ist an der Konzeption und Weiterentwicklung der Themen ebenso wie der Zeitschrift als ganzer beteiligt. Formate wie “Theologie in einfacher Sprache” ueben sich in der Uebersetzung theologischer Gehalte. Cursor_ nutzt außerdem die Möglichkeiten neuer (und alter) Medien, um Schreibende und Lesende stärker miteinander ins Gespräch zu bringen. Die Plattform PubPub, die im MIT fuer “Open Science” Projekte entwickelt worden ist, erlaubt eine schwellenarme Diskussion. Spontane Randbemerkungen, Zwischenrufe und Verweise regen zum Weiterdenken und Umdenken an. Der Cursor lädt zur direkten Partizipation und Interaktion ein.

Produktion

Der blinkende Cursor ist der Ort, an dem das Lesen und das Nachdenken über das Gelesene umschlagen in die Aktivität des Schreibens.

Cursor_ betreibt Theologie konstruktiv und produktiv. Wir fordern heraus zu einer Theologie, die nicht bei Problembeschreibungen und -analysen stehen bleibt, sondern sich angreifbar macht und eine eigene Stimme riskiert. Wir verstehen uns nicht als Beobachter und Kommentatorinnen aktueller Entwicklungen, sondern als in sie bereits verwickelte Subjekte. Für ihren jeweiligen Weitergang riskieren wir Mitverantwortung. Wir wagen darum mutige Prognosen. Wir setzen beispielhafte Projektierungen und vorläufige Konkretisierungen der Diskussion aus. Die Produktionsweise von Cursor_ ist dabei die des gemeinsamen Sich-Vortastens: Wir wissen nicht, welche Ideen sich als tragfähig erweisen werden. Wir bevorzugen unausgegorene, tastende, revisionsfähige Antwortversuche auf uns wichtig und aktuell erscheinende Fragen sowie Versuche, Fragen neu und anders zu formulieren. Unsere Ausgaben erscheinen in verschiedenen Versionen, die neue Gedankenanstoesse durch die Diskussion einbeziehen. Vorlaeufige Ergebnisse werden als pdf oder print on demand ueber die Universitaetsbibliothek zur Verfuegung gestellt. Der Cursor steht für die Aufforderung zu einer produktiven und konstruktiven Theologie.


Exploration

Der Cursor ist die sich vorwärts tastende Linie, die das Geschriebene und Gedachte vom noch zu Schreibenden und zu Entdeckenden des leeren Bildschirms trennt, aber auch der sich im Raum frei in alle Richtungen bewegende Mauszeiger.

Cursor_ versteht sich als Werkstatt. Wir laden ein, die gegenwärtige Situation von Theologie und Kirche ebenso zu erkunden wie den Bereich des künftig Möglichen und Unmöglichen, der nur imaginiert werden kann. Zukunftsoffenheit und Entdeckerlust sind zentral für unser Unternehmen. Theologie ist unserem Verständnis nach innovativ und investigativ. Sie lotet die Möglichkeiten und Grenzen dessen aus, was sie auf die Fragen der Gegenwart antworten kann. Theologie darf sich nicht auf rein historiographische, spekulative, beschreibende oder sonstige objektivierende “Kompetenzen” zurückziehen. Nur so kann sie sich dem stellen, was ihr aus Zukunft und Gegenwart entgegenkommt. Cursor_ nimmt bewährte Praktiken ebenso wie neue Mittel in den Dienst von originellen, ja experimentellen Versuchen und erkundet die sich daraus neu ergebenden Perspektiven. Cursor_ steht konsequent für engagiertes Denken “ohne Geländer”. Cursor_ ist so das Projekt einer explorativen Theologie.

Zusammenfassung

Unser Mission Statemen fasst diese Anliegen wie folgt zusammen:

Cursor_ ist eine Zeitschrift für explorative Theologie -- tentativ, fragend, experimentell.

Cursor_ sucht Schnittstellen über Diskursgrenzen hinweg.

Cursor_ fokussiert gegenwärtige Entwicklungen.

Cursor_ bietet Raum für Positionierungen und offene Fragen.

Cursor_ entwickelt neue Formen für eine partizipatorische und interaktive Gesprächskultur.

Comments
4
Thomas Renkert:

vgl: https://drive.google.com/open?id=0B5d7b4wGbbSVMEhlaElvWXBfOVU

Thomas Renkert:

Unterüberschriften ankündigen für nächste Hefte