Gibt es so etwas wie christliche Identität? Was provoziert oder fordert dich heraus, dich als Christ_in zu identifizieren? Wie überschneiden sich Identitätsfragen mit Christ_in-Sein für dich und die Menschen in deinem Arbeitsfeld?
Trotz langer Tradition sind die Christen nur 1% der Bevölkerung in Japan. Diese Minderheitssituation prägt mein Bewustsein, und als Christ zu leben ist mir immer ein bewusster Akt.
Ich bin ein protestantischer Christ in Japan, wo das Jahr 2019 das 160. Jahr nach dem Beginn protestantischer Mission sein wird. Trotz langer Tradition sind die Christen nur 1% der Bevölkerung in Japan. Diese Minderheitssituation prägt mein Bewusstsein, und als Christ zu leben ist mir immer ein bewusster Akt. Der Gottesdienstbesuch am Sonntag hat z.B. einen Charakter der „counter culture” in der japanischen Gesellschaft, in der fast alle Geschäfte am Sonntag offen sind und dabei am meisten Besucher haben. Unsere Gemeinde hat ca. 30 Mitglieder und benutzt ein altes japanisches Haus als Gottesdienstraum, der jeden Sonntag 20 bis 30 Besucher hat. Ich halte den sontäglichen Gottesdienstbesuch auch persönlich für wichtig. Dadurch, dass ich mich regelmäßig vor Gott als Schöpfer und Gott der Liebe stelle, kann ich immer wieder die Gewissheit der Würde in mir und den anderen bekommen. So bekomme ich auch neuen Mut, auf mich und auf die anderen zu vertrauen.
Auch Jesus pflegte immer wieder mitten in seinen missionarischen Aktivitäten an einem einsamen Ort vor Gott und zu Gott zu beten. Es geht mir primär nicht darum, zu fragen, an welchem Tag, wie oft, und mit welcher Form man betet. Wichtiger ist, in vertikaler Beziehung mit dem Gott der Liebe zu bleiben und mit Kraft des tiefen Vertrauens den anderen immer wieder neu zu begegnen, während die Menschen im alltäglichen Leben bzw. in horizontaler Beziehung durch verschiedene menschlichen Bedingungen geteilt und gespaltet werden. Dabei erinnere ich mich immer wieder an Luthers Wort in seiner Heidelberger Disputation (WA 1, 365, 11-12): „Darum nämlich, weil sie geliebt werden, sind die Sünder ‘schön’, nicht aber werden sie geliebt, weil sie ‘schön’ sind“. Die innere Praxis dieses Umdenkens und das äußere Engagement für die Minderheiten und die sozialen Schwachen, beide sind wichtige Elemente für meine christliche Identität. Der National Christian Council in Japan und meine Kirche, die Vereinigte Kirche in Japan, engagieren sich z.B. für die koreanische Minderheit in Japan und die Befreiung der Buraku (einer von der sonstigen Sozialordnung ausgeschlossenen Volksgruppe, die sich ursprünglich aus ‘unreinen’ Berufsgruppen wie Henker oder Schlachter zusammensetzte und immer noch abgesondert lebt). Ich persönlich unterstütze auch ziviles Engagement für Behinderte und Obdachlose, weil meine Überzeugung, dass ich von Gott umsonst geliebt bin, mich zur Verantwortung für die von Gott geliebte Menschheit besonders am Rande der Gesellschaft führt. Diese Art, miteinander zu leben, gehört zu meiner christlichen Identität.
As soon as I reveal the faith that defines my entire life, and my neighbors try to square that knowledge with how normal they thought I was, I find myself scrambling to explain it.
Is there such a thing as Christian identity? Well, Christian identity exists because Christians exist. So, it’s definitely a thing. The trick is determining what kind of a thing Christian identity is. It becomes a complicated matter and an unlimited exercise because the people summoned by the Holy Spirit and who call themselves Christian continue to live and die in faithful ways that foil any finite definition. And the Christ whom Christians follow evades our human understanding eternally. Even as close as Jesus comes with infinite and free love for each one of us exactly as we are. It’s no wonder that the polytheists first derived Christian from Christos (anointed one) and the hellenized Latin term, -ianus (follower). They coined, Christianos, “follower of the anointed one.” Of course it would be the case that believers in many gods would know precisely how to describe the one God who “will be what I will be.” The simple formulation says enough without presuming too much. And I suppose that’s how I feel challenged with my own Christian identity. To identify as a Christian says more than enough to the people who are curious to know what I believe. And yet, as soon as I reveal the faith that defines my entire life and my neighbors try to square that knowledge with how normal they thought I was, I find myself scrambling to explain it. I struggle to make it real in ways that prevent other people from presuming too much, presumptions that are, more often than not, over the top, negative and disappointing. Maybe all of this is because only God knows how to make Christian identity clear.
I’m also an American-born Asian, hailing from the peculiar state of Mississippi, teaching worship and preaching at the more peculiar institution of Princeton Theological School. I am an ordained United Methodist too. My identity is manyfold: I belong to an ethnic minority that is associated with white privilege, but receive only meticulously measured amounts of it, I am a teacher of ministerial practices at an institution associated with privilege but far removed from the lives of most Christians, and I am a pastor in a limping Mainline protestant tradition. My existence in all of these aspects leads me to understand Christian identity as an interplay of competing commitments, a mosaic of political negotiation, and the fruit of continuous personal and professional evolution. I have come from the poorest state in the United States to a flagship seminary of the Presbyterian Church (USA). I teach Christian worship and preaching to ecumenical students even though I am the son of Buddhist immigrants from Taiwan. I serve the United Methodist Church. It boasts a global membership of approximately 7 million people who are mostly in Africa and Asia. Yet the North American membership is almost half the size it was when it started in the United States (1968). It also remains roughly 94% white even though the book of Revelation literature paints a picture of all people before the Lamb (Rev 7:9). Those aspects of my identity - and I have only selected a few to share here (for our identities are composed of so much more than what our ethnicity is, where we are from, what we do for a living, and others also often know more about our identities than we do, or at least they often see what we overlook) - make sorting out my identity as a Christian a maze within which I am obsessively trying to find a better way.
So, while I find it self-evident that Christian identity exists, I am constantly searching for more honest and more uplifting ways to express it in my life. Ironically, my attempts to do so as a pastor and a teacher haven’t done the trick. But I feel grateful to God for those channels of vocation and faith. Going forward I hope to articulate more precisely within and beyond congregations and classrooms how wider cultural factors shape what becomes recognizable as Christian identity. I keep appealing to the Holy Spirit for accessible and muscular words, art, and other actions able to convey the panoramic, polyphonic, multivalent, and random nature of following the anointed one.
Meine christliche Identität wird in Frage gestellt durch den raschen Wandel der Gesellschaft, weg von der christlichen Dorfkultur hin zu einer säkularen Gesellschaft.
Meine christliche Identität wird in Frage gestellt durch den raschen Wandel der Gesellschaft, weg von der christlichen Dorfkultur hin zu einer säkularen Gesellschaft. Gegen diesen Loslösungsprozess gibt es in mir einerseits natürlich emotionale Widerstände. Auf der anderen Seite gibt es vieles, was ich gerne loslasse: zum Beispiel den unbiblischen Pfarrer-Habitus des 20. Jahrhunderts oder den bunten Bauchladen als klassische Kirchengemeinde. Ich genieße es auch, mich mit der säkularen Gesellschaft auseinanderzusetzen und meine christliche Identität zu bedenken und neu zu definieren.
Christliche Identität in der evangelischen Kirche ist für mich die Kirche als Konfliktgemeinschaft, in der um die Wahrheit gerungen wird, in der Wahrheit komplex erfahren werden kann. Ich schätze hier das Wort von Jesus „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, in dem Wahrheit nicht gegenständlich, sondern komplex, sogar organisch gesehen wird. Wahrheit als Herausforderung anzunehmen ist für mich christliche Identität.
Wesentlich christlich ist für mich auch der Sonntag, die Pause, die Möglichkeit und die Aufforderung zur „seelischen Erhebung“. Nicht nur beim Sonntag nach einer Sechs-Tage Woche, sondern auch weiter gefasst: der Feierabend nach der Arbeit, das In-Sich Gehen nach einem abgeschlossenen Projekt.
Christliche Identität ist für mich auch eine gesunde Mischung aus introvertiert und extravertiert sein. Die Introvertierten werden in unserer westlichen Gesellschaft in ihrer Bedeutung unterschätzt, leider auch in der Kirche. Christliche Identität ist in diesem Sinne Konzentration und Kontemplation; dies wäre ein wichtiger und irritierender Beitrag für unsere laute Gesellschaft.
Ich bin Christin und mein Messias ist ein Jude. Gott sei Dank! Das, was meins ist, gehört mir nicht.
Ich bin Pfarrerin. Ich glaube, unter allen Ich-Bins ist mir das das Liebste neben meinem Namen. Darin steckt für mich, einem Ruf zu folgen und mein Leben als Antwort zu leben.
Und ich bin Christin. Das geht mir mit den Jahren immer leichter über die Lippen. Das schmeckt nach Tod und Leben. „Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20), schreibt Paulus. Etwas in mir stirbt, wenn Neues beginnt. Manchmal schmeckt Christin-Sein nach Täterschaft und Gewalt, nicht selten nach Vorurteilen und Rechtfertigungen. Ich mag das Zähe daran.
Ich bin Christin und mein Messias ist ein Jude. Gott sei Dank! Das, was meins ist, gehört mir nicht. Das ist aufregend! „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.“ (Röm 11,18). Zu christlicher Identität gehört also Demut, nicht gebückt und grau, sondern lächelnd: eingebunden und getragen sein.
Für mich heißt Glauben nicht zu sein, sondern zu werden. Wenn ich das AfD-Parteiprogramm mit seinem Anspruch, das christliche Abendland zu verteidigen, lese, dann ist das das Gegenteil davon. Im Hebräerbrief ist die Rede von dem wandernden Gottesvolk; leichte Zelte statt starrer Identitätsfestungen! Nicht drinnen bleiben, bei mir, sondern rausgehen – mich Anderem und auch Entfremdendem aussetzen und darin wachsen und ein Stück reicher und freier werden.
Ich suche nach einer antitriumphalistischen Theologie. Dazu gehört auch: hören auf das, was zu Israel und in Israel gesagt wird. Nicht Gottes erste Liebe sein. Nicht die Hauptrolle in einer Geschichte spielen müssen, um in ihr vorzukommen.
Immer wichtiger wird mir die Vorstellung, scherbenhaftes Gefäß zu sein, in das die Kraft Gottes als Schatz eingegossen ist und nicht aus mir selber kommt (2. Kor 4,7). Scherbenhaft mit Gott zu sein ist leichter als ohne sie. Ich habe Leonard Cohen im Ohr: „There is a crack in everything, that’s how the light gets in“.
Ich versuche, mein Leben als Antwort zu leben. Den Kreisel meines Egos stillzustellen. Meine Bewegungen nicht zur Ursache dafür zu machen, dass Gott sich nicht bewegen kann. Ich übe zu sagen: „nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe!“ (Lk 22,42).
Im unterrichtlichen Spiel wird deutlich, dass die Antwort auf die Frage der "christlichen Identität" eher das „Nicht“ als die glatte Lösung ist.
‘Christliche Identität’ ist in meinen – schulischen – Kontexten zuerst eine Zuschreibungsfrage, wie sie in Schulbüchern begegnet: Was ist die (richtige) christliche Position – zur Umweltverschmutzung, zum Kapitalismus, zum Theodizee-Problem, zum Kosmos, zum ‘(Ich-)Sein in der Welt’? Im unterrichtlichen Spiel wird dann aber deutlich, dass die – christliche – Antwort eher das ‘Nicht’ als die glatte Lösung ist: Das Nicht-Wissen, das Nicht-bei-sich selbst-sein(-Können), der Nicht-Besitz von Eindeutigkeit oder Verfügungsmacht.
Im Angesicht sich selbst suchender und sich beständig neu aufstellender Jugendlicher, die biologisch bedingt Verlust und Infragestellung, in der Gruppe Normzwang und Optimierungsdruck und von den Erziehungsfiguren eher Anforderung als Angebot erleben, wirkt der Topos ‘christliche Identität’ zunächst wie eine erzieherische Soll-Botschaft – nicht wie eine öffnende Verheißung.
Zum Ermöglichungsraum kann dieser Begriff Jugendlichen (und vielleicht nicht nur denen) erst dann werden, wenn er seine eigene Brüchigkeit mitliefert, seine Nicht-Verfügbarkeit aussagt – anders gesagt: Erst dann, wenn ‘christliche Identität’ wirklich den Selbst-Verlust, die Hingabe, das Nicht-Kalkül, die Berührung und das Herz bedeutet, erst dann, wenn es darum geht, im Angesicht des Anderen das Eigene zu vergessen und sich verschieben zu lassen, verantwortlich zu werden und sich der Not des Anderen und damit der Welt auszusetzen, erst dann hat dieser Begriff für Jugendliche eine lebensweltliche Relevanz.
Eine ‘allgemeine christliche Identität’ kann es somit nur als die Bejahung dieses Selbst-Verlustes (vgl. hierzu Mk 8,34f.) geben, deren Konkretisierung nur je neu und ohne inhaltliche Vorgabe im jeweiligen Kontext gesucht werden kann. So gibt es keine allgemeine Füllung dieses Begriffes, nur den Moment.
Identität also paradox als Nicht-Besitz auszusagen liefert eine Gleichzeitigkeitsidee, die an jugendliche Erfahrungswelten anschließt: Ich bin – und bin der eigene Verlust, ich weiß – und erlebe das eigene Nicht-Verstehen, ich suche ‘mich’; ein ‘Ich’ (eine ‘Identität’) – und finde Vorläufiges, Prä-Stabiles, das im nächsten Moment zu verschwinden scheint, aber es war ein ‘Ich’, das da sein ‘Ich’ suchte… .
Als christlicher Religionslehrer bedeutet mir meine christliche Identität, die Jugendlichen, mit denen ich zu tun habe, in ihren Explorationen und Verlusten so zu schützen und zu begleiten, dass sich neue Möglichkeits-Räume auftun, die den Jugendlichen bedeutsam werden können – und sei es für nur einen Moment. Voraussetzung ist mein Nicht-Wissen(-Können), meine Zurückhaltung – und in der Schule ganz paradox: meine Nicht-Bewertung.