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Tagungsbericht „Gottesdienst – Liturgie – Verkündigung“

Published onDec 03, 2020
Tagungsbericht „Gottesdienst – Liturgie – Verkündigung“
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Der Workshop gliederte sich in vier Teile, markiert durch die Impulsreferate. Die Diskussionen schlossen daran an, zugleich zogen sich „Großthemen“ durch die Diskussionen. Diese beziehen sich z.T. auf die einführende Thesenreihe und markieren zentrale Punkte für die weiteren Workshops.

 

In den Blick kam die Predigt selbst, insbesondere im Anschluss an die Überlegungen von Prof. Schwier: Erkennbar ist, dass das liturgische Dreieck im digitalen Raum neu bedacht werden muss: Wer ist die predigende Person, was das „Wort“ Gottes und was die „Gemeinde”, wenn das alles jeweils nicht leiblich vor Ort ist? Die erneuerte und pointierte Predigt wurde dabei auch als Chance für den Gottesdienst vor Ort wahrgenommen. Dazu stand die Gegenthese im Raum: Die Predigt kann nicht im Zentrum stehen, wenn die klassischen Anker, an der sie aufgehängt ist, nur sehr diffus greifbar sind. Viele Formen religiöser Angebote sind im Digitalen jedoch schwer zu vermitteln (beten, singen, Abendmahl) - die Rede funktioniert am Besten. Zugleich stellt die Visualität digitaler Formen vor die Aufgabe, das optische Interesse und den mit diesen Formaten verbundenen technischen Aufwand mitzudenken – z.B. ein professioneller Schnitt, mehrere Kameraeinstellungen, ikonographische Abweichungen einplanen etc. Inwieweit stehen für diese Aufgaben genügend und gut geschulte Mitarbeiterinnen zur Verfügung? Und wie schwer ist es wirklich, Gebet und Gemeinschaft im Digitalen einzubringen?

Diskutiert wurde zudem das Spezifikum digitaler Predigt: Was ist das Leitbild für diese Art der Predigtlehre? Klassisch war es für die Predigt die universitäre Rede. Sind es jetzt eher die Youtuber? Das hat einige Folgen im Blick auf Professionalität, Musik, Schnitt, Setting, Sequenzfolgen - und das Einbringen der eigenen „Privatheit“.

 

Grundlegend wurde in diesem Zusammenhang die Verortung des Gottesdienstes diskutiert: Digitale Formen haben Gottesdienste an vielen Stellen „alltagstauglicher“ werden lassen – sie sind räumlich und zeitlich flexibel verfügbar. Muss ein Gottesdienst den Alltag unterbrechen oder kann und soll er sich möglichst in den Alltag einfügen? Gehört zum Gottesdienst nicht ein Heraustreten aus dem Alltag, ein bewusstes Treten vor Gottes Gegenwart und damit ein Moment der Unterbrechung? Wie ist es mit den Wahrnehmungen, die mit Präsenz, Haltung und Ästhetik zu tun haben? Aber auch: Warum sollte ich Gott nicht bewusst in meinem Alltag wahrnehmen können? Ist eine solche Ästhetik und Haltung vor allem eine Sache der eigenen Prägung und Gewöhnung – oder (auch) eine theologische Frage?

 

Sehr unterschiedlich bewertet wurde die kommunikative Bedeutung des „Sprechens durch den Bildschirm“: Während für einige das Sprechen durch die „dritte Wand” des Bildschirms eine sehr eingeschränkte Form von Kommunikation darstellt, die kaum als Kommunikation bezeichnet werden kann, stellt für andere der Bildschirm keine Trennung, sondern vielmehr eine Möglichkeit zur Gemeinschaft dar. Deutlich wurde, dass in den Debatten Kommunikation, Rezeption und Interaktion sehr viel präziser bestimmt und aufeinander abgestimmt sein müssen. Dabei scheint der Unterschied zwischen „Kommunikation über Religion” und „religiöser Kommunikation” (Volkhard Krech) zentral. Auch die Bedeutung nonverbaler Kommunikation ist weiter zu diskutieren. Diese Fragen betreffen auch die Debatten um das digitale Abendmahl, die im zweiten Workshop diskutiert werden (LINK).

 

Eng verbunden ist damit der Kirchenbegriff. Wie denken wir Gemeinde und Gemeinschaft digital? Wer gehört dazu, wer nicht? Wer ist die “Zielgruppe”? Die praktischen Erfahrungen, von denen Wolfgang Loest berichtete, machten deutlich, dass für die Konstituierung von Gemeinschaft die Beteiligung der feiernden Gemeinde von zentraler Bedeutung ist (Einblendungen, Fürbitten etc.). Deshalb sollten digitale Gottesdienste im Regelfall live und partizipativ sein. Nach seinen Erfahrungen sollten sie darüber hinaus verbunden sein mit einem Gemeindeleben im Digitalen. Der Erprobungsraum Kirche plus der lippischen Kirche versucht, entsprechende Formen zu initiieren, z.B. mit dem Angebot „Einfach da“. Dieser Livestream bietet Zeit zum Zuhören, zum Fragen, zum Nachdenken und zum Chatten. Gleichzeitig wies Loest auf das wechselseitige Angewiesensein von den Gemeinden vor Ort und den digitalen Angeboten des Erprobungsraums hin. Digitale Kirche benötigt die Unterstützung der Gemeinden vor Ort, ermöglicht ihnen aber auch eine Konzentration ihrer gottesdienstlichen Angebote: Nicht jede Gemeinde muss das ganze Spektrum unterschiedlicher Gottesdienste  anbieten, wie Familiengottesdienste, Segnungsgottesdienste, Jugendgottesdienste etc. Der Kirchenkreis kann im Blick auf die Abstimmung von digitalen Angeboten und Angeboten vor Ort ggf. eine koordinierende Funktion übernehmen.

Aber auch der Begriff der Gemeinschaft selbst erfährt im Digitalen eine neue Konnotation: Wie verhält sich die Rede von der Gemeinschaft zu bestehenden digitalen Communities? Wenn wir uns YouTuber, Streamer oder Influencer anschauen, reden die ganz selbstverständlich von ihrer „Community“. Wie verhalten sich gottesdienstliche Gemeinschaften online dazu? Zur Entstehung einer Online-Community wurde in der Diskussion sowohl die Bedeutung von Regelmäßigkeit und Wiedererkennbarkeit, sowie einer begleitenden Kommunikation herausgestellt als auch die Möglichkeit, um eine Person oder einen inhaltlichen Kern oder ein spirituelles Bedürfnis herum eine Gemeinschaft aufzubauen. Die verschiedenen Typen von Communities online zu erproben, wurde als aktuelle Chance herausgestellt. Dazu gehören sowohl Ad-hoc-Communities als auch Meta-Communities jenseits der Parochiegrenzen und mit z.T. neuen Sprachsymbolen (z.B. das Emoji „Betende Hände”).

Vor diesem Hintergrund wurde auch die Frage der Zielgruppenorientierung von Gottesdiensten diskutiert. Bereits der Sonntagsgottesdienst vor Ort, der sich nach seinem Selbstverständnis an die ganze Gemeinde richtet, erreicht, genauer betrachtet, im Regelfall nur bestimmte Zielgruppen aus den Reihen der Hochverbundenen. Im Digitalen stellt sich die Frage nach den Zielgruppen noch einmal dringlicher, da Gemeinschaft sich hier, wie oben ausgeführt, vor allem durch gleiche Interessen und Lebenssituationen konstituiert. Deshalb ist spätestens im digitalen Raum die Zielgruppe „alle“ für kirchliche Angebote nicht mehr einzulösen, so ein Standpunkt in den Diskussionen der Tagung. Digitale Kirche und vor allem digitale Gottesdienste sollten sich vielmehr der Zielgruppen bewusst sein, die sie mit ihrem jeweiligen Angebot erreichen. Den einen digitalen Gottesdienst gebe es nicht, kirchliche Angebote im Netzt müssen zielgruppengerecht und kanalgerecht sein.

Die in der Debatte und auch in der empirischen Forschung erkennbare Pfarrerzentrierung lässt dabei eventuell viel Innovation an der Basis durch engagierte Ehrenamtliche entgehen. Zugleich ist eine stärkere Begleitung und Fortbildung von Nöten, auch und gerade durch die Kirchenleitungen. Finanzielle Fragen sind dabei ebenso von Bedeutung wie die – derzeit überwiegend parochial organisierten – Strukturen von Macht und Repräsentanz. Diese Fragen sollen im dritten Workshop erneut aufgegriffen werden.

 

Auch die Hürden des digitalen Raums kamen in den Blick: Wie können passende Angebote auffindbar und dauerhaft attraktiv gestaltet werden? Denn deutlich wurde: Barrieren zu den Gottesdiensten werden nicht gesenkt, sondern an neuen Stellen konstituiert: Wer findet online-Angebote? Sind sie für die regulären Gottesdienstbesucher auch online zugänglich? Was sind technische Hürden für eine attraktive Gestaltung? Verbunden damit wurde die Qualität digitaler Angebote thematisiert: Wie kann Qualitätssicherung stattfinden angesichts der Tendenz in den sozialen Medien, auf Emotionalität und „banale Äußerungen” zu zielen? Diese Aufgabe gilt jedoch nicht nur für den digitalen Raum, sondern ist eine Anfrage an die gesamte Ausbildung - es hat mit theologischer Existenz zu tun!

 

Als ein grundlegendes Thema kam immer wieder die Frage nach dem Verständnis des „Digitalen“ und „Digitalisierung“ auf: Oft scheint in den Debatten um digitale Kirche mit Digitalisierung eine digitale Übertragung eines Gottesdienstes gemeint zu sein. Inwiefern ist dann ein „digitaler“ Gottesdienst mit einer Gemeinde verbunden und dieser angemessen aus der Perspektive einer digitalen Ekklesiologie oder Missionstheologie? Konstituiert sich eine Gemeinde auch in dieser hybriden Form?

 

weiterführende Hinweise aus dem Chat:

Connections
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